Paul Flechsig (1847-1929)
Professor für Psychiatrie
Professor für Psychiatrie
Paul Flechsig |
1872 wurde er Assistent von Ernst Wagner am Pathologischen Institut der Universität Leipzig.
1873 betraute ihn Carl Ludwig mit der Leitung der histologischen Abteilung am Physiologischen Institut. 1875 Habilitation.
Nach seiner Habilitation wurde er, der sich bis dahin noch nicht mit der Psychiatrie beschäftigt hatte, auf Empfehlung des Internisten Adolf Kußmaul und auf Betreiben Carl Ludwigs auf den in Leipzig neu zu gründenden Lehrstuhl für Psychiatrie berufen und mit dem Aufbau der neuen Nervenklinik beauftragt. Die erforderlichen Kenntnisse eignete sich Flechsig in den wichtigsten europäischen Kliniken an.
1884 wurde er zum Ordinarius für Psychiatrie berufen und war in dieser Funktion bis 1921 tätig. Neben seinen Aufgaben als Klinikdirektor beschäftigte er sich zeitlebens mit der Hirnforschung. Bereits als Assistent am pathologischen Institut war ihm bei der Sektion eines totgeborenen Kindes die zeitlich unterschiedliche Entwicklung der Markscheiden (Myelinhülle)1 im Gehirn aufgefallen. Er erkannte sofort die grundlegende Bedeutung dieser Beobachtung, die zur Grundlage seiner gesamten späteren hirnanatomischen Forschung wurde. Indem er in seinem "Myelogenetischen Grundgesetz" nachweisen konnte, dass die Nervenfasern einer definierten Leitungsbahn ihre Myelinhülle gleichzeitig, andere Fasersysteme aber in gesetzmäßiger Reihenfolge zeitlich versetzt entwickeln. Hierdurch hatte er zum ersten Mal eine verlässliche Methode gefunden, Ursprung und Verlauf der Nervenfasern im Gehirn durch die histologische Analyse der Entwicklung der Myelinhülle der einzelnen Leitungsbahnen zu bestimmen.
In jahrzehntelanger Arbeit untersuchte er die unterschiedlichen Faserzüge des Rückenmarks und Gehirns. In mühevoller Kleinarbeit beschäftigte er sich mit der Struktur und Gliederung der Hirnrinde. Er charakterisierte Ursprung und Verlauf der Pyramidenvorderstrangbahn, den Verlauf der zentralen Hörbahn und viele weitere Fasersysteme, deren Bezug zum Namen Flechsig heute kaum noch bekannt ist. In mühevoller Arbeit war er bis zuletzt dabei, eine myelogenetische Gliederung der Hirnrinde zu erstellen. Dabei unterschied er jene Rindenfelder, welche schon vor der Geburt reifen und mit den Sinnessphären verbunden sind von jenen corticalen Gebieten, die keine direkte Verschaltung mit den Sinnessphären mehr zeigen und die er "Assoziationszentren" nannte. In ihnen wollte er die höheren Gehirnleistungen lokalisiert wissen. Er war fest davon überzeugt, dass alle seelischen Vorgänge direkt Erzeugnisse des Gehirns und durch die exakte neuroanatomische Analyse untersuch- und aufklärbar seien.
Die Leipziger Psychiatrie und Nervenklinik zog als wissenschaftliches Zentrum in- und ausländische Fachkollegen an, z.B. Constantin von Monakow, Wladimir Bechterew und Liwerij Darkschewitsch. Viele ausländische Gäste besuchten die Laboratorien von Carl Ludwig, Flechsig und Wilhelm Wundt.
Flechsig war 1894/95 Rektor der Universität Leipzig. In seiner Rektoratsrede "Gehirn und Seele", die ihn auch außerhalb seines Fachgebietes bekannt und berühmt machte, stellte er seine Überlegungen der Öffentlichkeit vor. Flechsigs Lokalisations- und Erklärungsversuche der höheren Hirnfunktionen auf dem Boden seiner neuroanatomischen Analysen, schon zu seinen Lebzeiten heftig umstritten, waren dem Zeitgeist verhaftet und hatten keinen Bestand. Geblieben aber ist sein großer Beitrag zur Erforschung der Struktur des Gehirns, mit dem er dazu beigetragen hat, die Grundlagen für die faszinierende Entwicklung der modernen Neurowissenschaften zu schaffen. Flechsig war Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig.
Flechsig starb am 23. Juli 1929 in Leipzig im Alter von 82 Jahren. Er begründete die entwicklungsgeschichtliche Methode zur Untersuchung des inneren Baues des Zentralnervensystems und war einer der "Väter der Neuroanatomie" Nach ihm wurde in der Anatomie eine im Rückenmark liegende Nervenbahn "Flechsigsches Bündel" benannt. Außerdem ist das "Paul-Flechsig-Institut" für Hirnforschung der Universität Leipzig und eine Straße in Leipzig nach ihm benannt.
Quellen:
Die Psychiatrische Klinik und Nervenklinik,
in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 3; Leipzig 1909, S. 188 - 200
Kästner, I. und Thom, A. (Hrsg.): 575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig 1990; S. 51 - 117
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909; S. 116 - 118
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Flechsig (eingesehen am 12.05.06)
Zum 75. Todestag von Paul Flechsig: http://www.presse-wissenschaft.de/idw-news-83861.php (eingesehen am 12.05.06)
http://www.uni-leipzig.de/~pfi/pfi/de/historisches/historisches.html (eingesehen am 12.05.06)
http://www.uni-leipzig.de/~psy/deu/8_Geschichte/02_index_lehrstuhl.htm (eingeshen am 12.05.06)