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Die 500-Jahr-Feier der Universität 1909

Die Universität Leipzig ist die achte im deutschsprachigen Raum gegründete Hochschule. Von diesen bestanden 1909 noch vier: Prag, Wien, Heidelberg und Leipzig. Die fünfhundertste Wiederkehr der Gründung war ein außergewöhnliches Ereignis im Leben der Universität, das mit großem Aufwand begangen wurde. Es fand zudem in der Blüte ihrer Entwicklung in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg statt. Der Glanz der Landesuniversität diente auch dem Ruhm der Stadt und des Königreiches Sachsen.
Die wettinischen Landesherren haben in der Geschichte der Alma mater Lipsiensis über die Jahrhunderte eine große Rolle gespielt. Von Friedrich dem Streitbaren über Herzog Moritz, Kurfürst August bis zu den Königen Friedrich August I., Johann und Friedrich August III. haben sie auf die Entwicklung der Universität Einfluss genommen. Die enge Bindung der Universität an das Herrscherhaus fand ihren Ausdruck darin, dass die sächsischen Könige den Titel "Rector Magnificentissimus" trugen.
Die unmittelbaren Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten begannen im Jahre 1906. Das in Abstimmung mit dem Rat der Stadt und dem Kultusministerium verfasste Festprogramm und der aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht um den 2. Dezember, sondern auf den 28. bis 31. Juli 1909 festgelegte Zeitraum der Veranstaltungen, wurde von der Staatsregierung und dem König genehmigt.
Die Finanzierung konnte trotz Schwierigkeiten mit Unterstützung der Staatsregierung und der Stände gelöst werden. Der Landtag bewilligte mit dem Etat 1908/09 für das Jubiläum 189.000 M.1 Durch die Stadt wurden trotz des unterkühlten Verhältnisses Säle und Plätze bereitgestellt (Palmengarten) und eine Festhalle auf dem Messeplatz an den Frankfurter Wiesen errichtet sowie die Universität z.B. bei der Unterbringung der Gäste unterstützt.

Postkarte
 
Erinnerungspostkarte
(Kunstbesitz der Universität Leipzig)
 
Die Koordinierung der Vorbereitungen oblag einer Jubiläumskommission unter Leitung des Rektors. Zur Lösung von Detailproblemen wurden 10 Jubiläumsausschüsse gebildet. Eine wichtige Funktion hatte der studentische Festausschuss, der unter Beteiligung aller studentischen Vereinigungen gegründet wurde. Er organisierte selbständig die Mitwirkung der Studenten bei den einzelnen Festakten und vor allem bei der Durchführung des Festzuges.
1909 erschien eine "Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig" in vier den Fakultäten gewidmeten Bänden (der Band der Philosophischen Fakultät bestand aus zwei Teilen entsprechend den beiden Sektionen).2 Die 1902 vom Senat beschlossene mehrbändige Universitätsgeschichte konnte jedoch bis zum Jubiläum nicht fertiggestellt werden. Durch die Staatsregierung wurden eine Erinnerungsplakette in Bronze und Silber sowie die Prägung von Gedenkmünzen im Werte von 5 und 2 Mark angeregt und realisiert. Der Lehrkörper der Universität stiftete eine neue Universitätsfahne. Thomaskantor Gustav Schreck wurde gebeten, eine Featkantate zu komponieren und mit dem Thomanerchor aufzuführen. Universität, Stadt und Kunst- gewerbemuseum veranstalteten im Alten Rathaus eine Ausstellung zur Geschichte der Universitäten und besonders der Universität Leipzig sowie deren Kunstschätzen.

Der Ablauf des Festes
Die ganze Stadt war in der letzten Juli-Woche festlich geschmückt. Vor dem Augusteum standen zwei Tribünen mit ca. 1000 Plätzen. Auf der Freitreppe des Museums an der Südseite des Augustusplatzes stand das Königszelt, dazu zwei überdachte Tribünen mit Logen für die Ehrengäste.

Mittwoch, 28. Juli 1909
In der Festzeitung erschien eine an alle Teilnehmer gerichtete Begrüßungsadresse des Rektors Karl Binding. Die meist vorher überreichten Geschenke wurden in der Aula ausgestellt. Der Rektor der Karls-Universität Prag, Ritter v. Jaksch, überreichte Rektor Binding und den Dekanen einen kostbaren Goldschrein mit dem ersten Siegel der Universität Prag als Gruß der "Mutter an die Tochter".3
Am Abend versammelten sich die Vertreter deutscher und nichtdeutscher Universitäten und Akademien und die Ehrengäste im Augusteum. In der Aula war erstmals das Wandbild Max Klingers zu sehen. 21.00 Uhr erfolgte dann im Palmengarten die allgemeine Begrüßung aller Teilnehmer.

Donnerstag, 29. Juli 1909
Der Tag begann 8.00 Uhr mit dem Empfang des Königs auf dem Dresdner Behnhof und der anschließenden Fahrt durch ein Spalier von Studenten zum königlichen Palais.
9.00 Uhr fand in der Universitätskirche St. Pauli ein Festgottedienst mit 2000 Teilnehmern statt. Der erste Universitätsprediger D. Rietschel entwickelte in seiner Festpredigt eindrucksvolle Gedanken zu Wahrheit und Wissenschaft.
Der Festakt im Neuen Theater begann 10.30 Uhr mit der vom Gewandhausorchester unter Arthur Nikisch gespielten Jubel-Ouvertüre von Carl Maria von Weber. Rektor Binding behandelte in seiner Begrüßungsansprache Rolle und Bedeutung der Universitäten als Weltschulen seit ihrem Entstehen im Mittelalter, die Auseinandersetzung mit der Scholastik, ihre Internationalität und das Verhältbis zur Kirche. "Inzwischen ist der Weltstaat dahingesunken, die Weltkirche hat ihre Welt mit anderen Kirchen teilen müssen: die Weltschule aber - sie hat sich erhalten, ... sie stirbt nicht!" 4 Weiter sagte er: "Die Kultur eines Volkes lässt sich messen an dem Anteil, den es nimmt an dem Gedeihen seiner wissenschaftlichen Anstalten." 5 Er schloss mit einem Ausblick auf die nächsten 500 Jahre.
Nach der Begrüßung durch den König und der symbolischen Übergabe der von ihm gestifteten zwei weiteren Goldmedaillons für die Rektorkette überbrachte Kultusminister Dr. Beck die Glückwünsche der Staatsregierung und übergab offiziell das Wandgemälde Klingers in der Aula und die Universitätsfahne.

Max Klinger, "Die Blüte Griechenlands"   ( UAL FS_Ü00015 )
Es schlossen sich die Glückwünsche der Vertreter der Gäste an, beginnend mit Oberbürgermeister Dr. Dittrich. Der Festakt schloss 13.45 Unr.
18.30 Uhr gab die Staatsregierung im großen Saal des Palmengartens ein Festmahl für die Ehrengäste, den Lehrkörper, die Beamten der Universität und Vertreter der Studentenschaft. Der Tag ging 20.00 Uhr mit einem Gartenfest im Palmengarten mit Musik, Tanz und Feuerwerk zu Ende.

Freitag, 30. Juli 1909
Zu dem 9.00 Uhr beginnenden Festakt in der Wandelhalle des Augusteums wurde auch Prinz August Wilhelm v. Preußen als Vertreter des Kaisers begrüßt. Nach der Eröffnung durch den Thomanerchor überreichte König Friedrich August III. mit einer kurzen Ansprache sein überlebensgroßes Standbild. Es folgte die Immatrikulation der beiden Söhne des Königs.
Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Festrede des 77-jährigen langjährigen Professors, ehemaligen Rektors und Ehrenbürgers der Stadt Leipzig Wilhelm Wundt.6 Am Anfang seiner Betrachtungen zur wechselvollen Geschichte der Universität hob er hervor, dass die Universität Leipzig nicht eine von Kaiser, Papst oder Landesherren erfolgte Stidtung war, sondern von den Professoren und Studenten selbst gegründet wurde, die Leipzig nach dem Auszug aus Prag als Ort der neuen Hochschule wählten. Dadurch verfügte sie über eine Autonomie wie keine andere deutsche Universität, die aber zugleich Grundlage eines besonders konservativen Geistes war. Leipzig galt neben Köln als Hochburg der Scholastik, von der sie sich erst mit der Universitätsreform von 1830 löste.
Im weiteren Verlauf seiner Ansprache ging Wundt auf die Rolle von Persönlichkeiten ein, die prägend für die Alma mater Lipsiensis waren. Herzog Moritz hat mit seinen Schenkungen im Jahre 1543 - auch gegen den Willen der Stadt - der Universität die Existenzgrundlage für die folgenden Jahrhunderte geschaffen und sie zur reichsten in Deutschland gemacht. Der damalige Rektor Kaspar Borner hielt beharrlich an dem erungenen Besitz fest. Gewürdigt wurden im Weiteren Joachim Camerarius, Leibniz, Christian Thomasius, Lessing, Gottsched, Christian Wolf.
Im Übergang von der Universitas Scholastica zur Universitas Litterarum im 19. Jahrhundert, der Verbindung von Forschung und Lehre, der wachsenden Bedeutung der Naturwissenschaften und der Gewinnung hervorragender Gelehrter als Professoren sah Wundt die Grundlage der Entwicklung im neuen Jahrhundert.
 
Dekane
  Rektor Karl Binding mit den Dekanen
Rudolf Boehm, Ludwig Ihmels, Adolf Wach, Gerhard Seeliger
(Kunstbesitz der Universität Leipzig)
Nach der Festrede wurden mit Ansprachen der vier Dekane eine größere Zahl Ehrenpromotionen der Fakultäten an Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland verliehen, bevor der Festakt mit einer vom Thomanerchor gesungenen Kantate von Bach schloss.
12.00 Uhr begann der Festzug, in dem von fast 2500 Teilnehmern - vorwiegend Studenten - in 14 Gruppen die Geschichte der Universität dargestellt wurde.7
19.00 Uhr fanden eine Festvorstellung im Neuen Theater und ein Gewandhauskonzert statt. Parallel dazu begann ein Festkommers mit 10.000 Teilnehmern in der Festhalle an den Frankfurter Wiesen. Gegen 23.00 Uhr gingen die Feierlichkeiten in Leipzig zu Ende.

Sonnabend, 31. Juli 1909
In der Albrechtsburg zu Meißen fand ein königlicher Empfang statt, zu dem die Lehrkräfte der Universität, der studentische Festausschuss und weitere 39 Studenten sowie ausgewählte Gäste eingeladen waren. Die Albrechtsburg war während des Schmalkaldischen Krieges (1546/47) Fluchtstätte der Universität gewesen.8

Teilnehmer an dem prunkvollen dreitägigen Fest in Leipzig waren das fast vollständige sächsische Königshaus, Prinz August Wilhelm als Vertreter des Kaisers, Fürsten aus vielen deutschen Ländern (darunter eine große Zahl ehemaliger Studenten), die 237 Mitglieder des Lehrkörpers und 17 Beamten der Universität, 478 Ehrengäste und 916 weitere Gäste, ca. 6000 frühere Studenten und die 4581 im Sommersemester 1909 immatrikulierten Studenten.
Die Universität erhielt 161 Grußadressen sowie 125 Geschenke und Stiftungen und 42 Widmungen (vor allem Bücher, Kompositionen und Dichtungen).

"Insgesamt kann man die Jubiläumsfeierlichkeiten 1909 wohl aus der Sicht aller Beteiligten als Erfolg werten: Die Stadt hatte mit geringem finanziellen Aufwand ... an dem von Universität und Land ausgerichtetem Fest teilgenommen, war aber überall genannt worden. Die Universität hatte durch ein aufwendiges, gelungen inszeniertes Fest die innerdeutschen Konkurrenzuniversitäten weit hinter sich gelassen und neue Maßstäbe für ein Jubiläum gesetzt, ... und der sächsische Staat hatte die Verbindung von Monarchie und Universität öffentlichkeitswirksam vertreten: sowohl bei den Feierlichkeiten wie in der Denkmalspolitik oder der Münzpropaganda war ... das Jubiläum zur Legitimitätsstiftung genutzt worden." 9

Quellen:
Die Feier des fünfhundertjährigen Bestehens der Universität Leipzig, amtlicher Bericht im Auftrage des akademischen Senats, erstattet von Karl Binding; Leipzig 1910
Tischner, W.: Das Universitätsjubiläum 1909 zwischen universitärer Selbstvergewisserung und monarchischer Legitimitätsstiftung,
in v.Hehl, U. (Hrsg.): Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, Leipzig 2005, S. 95 - 114
ZIER UND ZEICHEN, Kabinettausstellung zum 150. Jubiläum der Rektorkette Begleitheft zur Ausstellung,
Die kleine Reihe der Kustodie der Universität Leipzig, Heft 03, November 2005
Blecher, J. und Wiemers, G.: Die Universität Leipzig 1409-1943, Erfurt 2004, S.85

1 Tischner, W.: Das Universitätsjubiläum 1909 zwischen universitärer Selbstvergewisserung und monarchischer Legitimitätsstiftung, S. 102
2 Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Bände 1 bis 4.2, Leipzig 1909
3 Vgl. Die Feier des füfhundertjährigen Bestehens der Universität Leipzig, amtlicher Bericht im Auftrage des akademischen Senats,
   erstattet von Karl Binding; Leipzig 1910, S. 62/63

4 Ebenda, S. 78
5 Ebenda, S. 82
6 Ebenda, S. 158 - 183
7 Ebenda, S. 197 - 207
8 Tischner, W.: Das Universitätsjubiläum 1909 zwischen universitärer Selbstvergewisserung und monarchischer Legitimitätsstiftung, S. 105
9 Ebenda, S. 114

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