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Die finanzielle Situation der Universität
im Zeitraum 1850 - 1918

Mit der Universitätsreform von 1830 wurde auch die Finanzierung der Universität neu geregelt. Das war angesichts der über die Jahrhunderte entstandenen Fonds und deren Unübersichtlichkeit zwingend notwendig. Gretschel veröffentlichte im Anhang zu seiner Monographie zur Universitätsgeschichte eine "Tabelle über das Vermögen der Universität Leipzig" aus dem Jahre 1824. Danach bestanden 12 allgemeine Kassen (von den Universitätsdörfern bis zur Universitätsbibliothek), die Fisci der 4 Fakultäten mit 22 Einzelkassen, die Fisci von 3 Kollegien und 5 zugehörigen Stiftungen, die Fisci der 4 Nationen und die Kasse der akademischen Entbindungsanstalt. 1
Die Zusammenführung dieser fast 50 einzelnen Kassen zu einem einheitlichen Universitätsvermögen war ein langwieriger Prozess. 1825 erfolgte die Gründung des Universitäts-Rentamts. Erst Ende 1829 lag eine Übersicht der Einnahmen und Ausgaben aller Vermögensfonds vor. 1832 wurde das Gesamtvermögen der Universität unter Staatsverwaltung gestellt, blieb jedoch als Stiftung Eigentum der Universität. Das vom Rentamt verwaltete Korporationsvermögen stieg von rund 3 Millionen Taler 1858 auf 31 Millionen Mark 1909 2.
Ab September 1834 erhielt die Universität einen festen Etat, mit dem der sächsische Staat auch die Zahlung der Professorengehälter einschließlich der Ablösung von Naturaldeputaten durch Geldzahlungen übernahm 3. In den ersten Jahren nach 1834 waren die Etats bescheiden. Nach Eulenburg 4 betrug das Gesamtbudget im Jahre 1842 ohne außerordentliche Ausgaben 228 071 Mark. Von den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts stiegen die Einnahmen und Ausgaben auf ein Vielfaches. Interessant ist dabei nicht nur die Gesamtentwicklung, sondern auch deren Struktur. Diese Entwicklung verlief parallel mit dem Wachsen der Studentenzahlen - besonders in der Philosophischen Fakultät - und dem Entstehen neuer Lehrstühle, Institute und Kliniken.

Die Einnahmen stiegen von 361 818 Mark 1856/57 auf 3 050 433 Mark 1906/07 (843 %). Das war mit einer Erhöhung der Staatszuschüsse auf mehr als das 17-fache verbunden - von 141 447 Mark auf 2 424 907 Mark. Die Einnahmen aus eigenen Quellen stiegen auf 284 % (von 220 372 Mark auf 625 526 Mark), darunter aus Kooperationsvermögen auf 250 % (374 798 Mark), aus nicht staatlichen Kassen auf 125 % (72 596 Mark), aus Verwaltungseinnahmen auf 1379 % (178 132 Mark). Die überdurchschnittliche Steigerung der Verwaltungseinnahmen resultierte u.a. aus Gebühren für Einschreibungen, Hörerscheine, Benutzung der Hörsäle und Institute, aus Gebühren für Zeugnisse, Strafgelder und Gerichtsgebühren sowie aus Prüfungsgebühren. Die Bedeutung der Staatszuschüsse wird daran deutlich, dass noch 1856/57 die eigenen Einnahmen die Zuschüsse um 56 % überstiegen; 1876 betrugen die Staatszuschüsse mit 657 938 Mark bereits 186 % der eigenen Einnahmen (354 607 Mark). Bis zum Jahre 1906/07 stieg dieses Verhältnis auf 388 %. 5


Einnahmen 1856 - 1906 nach ihren Quellen
(aus Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten 100 Jahren, Leipzig 1909; S. 151)


Die Ausgaben entwickelten sich in gleicher Gesamthöhe wie die Einnahmen. 1856/57 betrugen die Ausgaben für das akademische und Verwaltungspersonal mit 226 150 Mark rund 62 % der Gesamtausgaben. Sie stiegen bis 1906/07 auf 926 706 Mark, etwa das Vierfache, das waren jedoch nur noch 30 % der Gesamtausgaben. Im gleichen Zeitraum entwickelte sich der Sachaufwand (Lehrmittel und Institute, akademische Gebäude) von 69 481 Mark auf 1 898 137 Mark, stieg also auf mehr als das 27-fache. Der Anteil an den Gesamtausgaben stieg von 20 % auf 62 %. Bis 1880 überstiegen die Personalausgaben die Sachausgaben. Die übrigen Ausgaben (Verwaltungsaufwand, Zinsen und Tilgungen, Sonstiges) stiegen von 66 187 Mark 1856/57 auf 248 581 Mark 1906/07, der Anteil sank von 18 % auf 8 %. 6 Sowohl die Steigerung der Ausgaben als auch die Verschiebung von der Dominanz der Personalkosten zu den Sachkosten macht die Entwicklung der Universität zu einer modernen Lehranstalt sichtbar.
Ausgaben Ausgaben 1856 -1906 nach ihrer Bestimmung
(aus Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten 100 Jahren, Leipzig 1909; S. 151)


Das wird noch deutlicher, wenn die Fakultäten betrachtet werden. Der Aufwand für Lehrmittel und Institute stieg zwischen 1856/57 und 1906/07 in der
Theologischen Fakultät von        156 Mark   auf     34 967 Mark
Juristenfakultät von           0auf       5 115 Mark
Medizinischen Fakultät von   20 918 Mark   auf   733 144 Mark
Philosophischen Fakultät von   46 058 Mark   auf   641 392 Mark
Der Anteil von Medizinischer und Philosophischer Fakultät an den Gesamtausgaben betrug 97 %. In der Juristenfakultät entstanden Aufwendungen nur für die Institutsbibliothek. 7
Auch wenn in den Sach- und Verwaltungskosten Gehälter und Löhne für Assistenten, technisches und Hilfspersonal enthalten waren sowie das Zahlenmaterial nicht um die Entwicklung der Besoldungen und Preisänderungen bereinigt wurde, wären die Auswirkungen marginal.
Zu den laufenden (ordentlichen) Aufwendungen kamen die außerordentlichen Kosten, besonders für Neu- und Umbauten. Im Zeitraum von 1879 bis 1909 betrugen die Ausgaben der Universität Leipzig insgesamt 18.308.567 Mark. Den Hauptanteil daran hatten die medizinischen und naturwissen- schaftlichen Institute, das Paulinum und die Universitätsbibliothek. Schwerpunkte waren: 8
die Umgestaltung des Paulinums einschl. Paulinerkirche3 637 802 Mark
der Neubau der Universitätsbibliothek2 645 552 Mark
der Neubau der Frauenklinik1 168 844 Mark
der Neubau der Psychiatrischen Klinik1 142 453 Mark
das Physikalische Institut1 319 512 Mark
Siehe hierzu auch "Das Baugeschehen der Universität in der zweiten Hälfte des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts".

Die finanzielle Situation der Universität Leipzig entsprach ihrer Entwicklung zur Spitzenuniversität und ist durchaus vergleichbar mit der Berliner Universität, wenn auch etwas geringer.
Diese Periode des Aufschwungs fand ihr Ende mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Wenn auch keine Angaben zu den Etats der Kriegsjahre vorliegen, kann von folgenden Wirkungen ausgegangen werden:
  • Geplante Baumaßnahmen mussten eingestellt oder verschoben werden. Lediglich der Umbau der Taubstummenanstalt in der Thalstraße für das Mineralogisch-petrographische Institut, das Institut für Geschichte der Medizin und das Geophysikalische Institut wurde 1915/16 realisiert, und die Ausstellungsräume des Ägyptischen Museums in der Schillerstraße 8 konnten 1916 eröffnet werden.
  • Die laufenden Einnahmen und Ausgaben werden sich durch den Kriegsdienst der Mehrzahl der männlichen Studenten und eines Teil der Hochschullehrer und Beamten verändert haben.
  • Besonders die Institute und Kliniken der Medizinischen Fakultät mussten Kapazitäten für die Behandlung Verwundeter und andere medizinische Leistungen bereitstellen. Auch andere Institute hatten Arbeiten im Interesse der Kriegführung zu übernehmen.
  • Mit zunehmender Kriegsdauer beeinflusste die Mangelwirtschaft auf nahezu allen Gebieten die Ausgaben.
Waren bis 1914 die wissenschaftlichen Leistungen der Landesuniversität die Zielkriterien für die Etats, trat in den Jahren 1914 - 1918 die Kriegswichtigkeit an deren Stelle.

Quellen:
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909
Blaschke, K.: Die Universität Leipzig im Wandel vom Ancien Régime zum bürgerlichen Staat,
In: Czok, K. (Hrsg.): Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Berlin 1987
Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909, Nachdruck 1995; S. 141 - 171
Drucker, R.: Die Universitätsbauten 1650-1945, in: Füßler, H. (Hrsg.): Leipziger Universitätsbauten, Leipzig 1961; S. 167 - 212
Czok, K,: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917
In: Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984; S. 191 - 228
Gätke-Heckmann, U.: Die Universität Leipzig im Ersten Weltkrieg
In: v.Hehl, U. (Hrsg.): Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, Leipzig 2005; S.145 - 168

1 Gretschel, C.: Die Universität Leipzig in der Vergangenheit und Gegenwart, Dresden 1830; Anhang
2 Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909; S. 33
3 Vgl. Blaschke, K.: Die Universität Leipzig im Wandel vom Ancien Régime zum bürgerlichen Staat,
   In: Czok, K. (Hrsg.): Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Berlin 1987
4 Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909; S.143
5 Vgl. ebenda S. 150 und 213
6 Ebenda
7 Ebenda S. 157
8 Ebenda S. 161/162

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