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Das Baugeschehen der Universität in der zweiten Hälfte des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts

Die Entwicklung der Universität zu einer modernen Lehranstalt mit der Erweiterung der bestehenden und der Gründung neuer Institute und Kliniken sowie stark steigenden Studentenzahlen erforderte die forcierte Weiterführung der nach der Universitätsreform von 1830 begonnenen Erneuerung und Erweiterung der Bausubstanz (siehe hierzu Die bauliche Umgestaltung der Universität in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts). Das erfolgte an den historischen innerstädtischen Standorten, besonders am Paulinum, wo das 1543 der Universität übereignete Dominikanerkloster gestanden hatte, dem Petrinum zwischen Petersstraße und Schlossgasse, den Gebäuden an der Ritterstraße sowie im "Akademischen Viertel", aber auch an neuen Standorten. Die Bauvorhaben der Universität waren Bestandteil der städtebaulichen Entwicklung der Großstadt Leipzig.
Neben dem bedeutendsten Vorhaben, dem Umbau des Paulinums nach den Plänen von Roßbach, der in einem gesonderten Beitrag beschrieben wird, wurden auf dem Areal zwischen Augustusplatz, Grimmaischer Straße und Universitätsstraße weitere Vorhaben ausgeführt. Dazu wurden z.T. Grundstücke erworben.

Somit war Ende des 19. Jahrhunderts der gesamte Komplex mit Ausnahme des Café Felsche (Ecke Augustusplatz/Grimmaische Straße) im Besitz der Universität.

Im Bereich der Kollegien zwischen Ritterstraße und Goethestraße gab es einige Um- und Neubauten. In den 1860er Jahren erwarb die Universität Grundstücke in der Ritterstraße, wo Ende des Jahrhunderts ein Neubau im Anschluss an das Kleine Kolleg errichtet wurde. 1860/61 wurden auf dem Grundstück Goethestraße/Ecke Ritterstraße die alten Fachwerkbauten abgerissen und durch die Stadt nach dem Plan von Geutebrück das Königliche Palais errichtet, das sich in der Goethestraße an das Rote Kolleg und in der Ritterstraße an das Kleine Kolleg anschloss. Es war an den sächsischen Hof vermietet und diente dem König bei Besuchen in Leipzig als repräsentative Unterkunft. 1918 ging es in die Nutzung durch die Universität über und ist heute Sitz des Rektorats.
Die Gebäude des Roten Kollegs in der Ritterstraße wurden 1891 abgebrochen und 1892 entstand dort nach einem Entwurf von Roßbach ein Neubau. Im Anschluss an das Große Kolleg wurde in der Ritterstraße durch die Handelskammer 1908 ein Gebäude für die Handelshochschule (das heutige Geschwister-Scholl-Haus) errichtet. Auf dem gegenüberliegenden Grundstück in der Goethestraße entstand ein Geschäftshaus, heute genutzt von der Franz-Mehring-Buchhandlung und der Dresdener Bank.

Zwischen Petersstraße und Schlossgasse - den seit 1409 im Besitz der Universität befindlichen Grundstücken - wurden 1880 das alte Petrinum und das Ende des 18. Jahrhunderts gebaute Juridicum sowie die dazwischen liegenden Nebengebäude abgerissen und bis 1882 ein Neubau mit einer Passage zum Burgplatz errichtet. Dort war die Juristenfakultät untergebracht, ein Teil war als Büroräume und Läden vermietet. Im neuen Petrinum fanden hier die in den 1870er Jahren gegründeten juristischen Seminare, das Collegium iuridicum, ihren Platz.

Der Neubau der Universitätsbibliothek am südwestlichen Rand der Innenstadt, der 1891 in Betrieb genommen wurde, gehört zweifellos zu den wichtigsten Bauvorhaben der Universität im ausgehenden 19. Jahrhundert. Siehe hierzu den gesonderten Beitrag.

Die notwendigen Neu- und Erweiterungsbauten für die entstehenden Institute der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion der Philosophischen Fakultät sowie die Institute und Kliniken der Medizinischen Fakultät konnten nicht auf den Universitätsgrundstücken im Stadtzentrum gebaut werden. Deshalb lag der Schwerpunkt der Bautätigkeit im Johannistal östlich des Augustusplatzes, dem "Akademischen Viertel" (auch als "Medizinisches Viertel" bezeichnet).

Akademisches Viertel

Das Akademische Vietel im Johannistal (1885)
Von rechts unten nach linkks oben die Liebigstraße


Hier entstanden folgende naturwissenschaftlichen Institute:
  • Neue Universitäts-Sternwarte (1861)
  • Chemisches Laboratorium (1868)
  • Mineralogisches Institut (1874)
  • Botanisches Institut (1877)
  • Zoologisches Institut (1880)
  • Physikalisch-chemisches Institut (1897)
  • Landwirtschaftliches Institut (1903)
  • Physikalische Institute (Neubau 1903)
  • Mathematisches Institut (1903 im umgebauten alten Physikalischen Institut von 1873)
  • Veterinärinstitut (1905)
  • Institut für angewandte Chemie (1906)
Ein Lageplan der naturwissenschaftlichen Institute kann auf der Seite Die Philosophische Fakultät eingesehen werden.

   
Das Physikaliscche Institut in der Linnéstraße Das Rote Haus in der Philipp-Rosenthal-Straße

Für die Medizinische Fakultät wurden errichtet:
  • Physiologisches Institut (1869)
  • Orthopädische Klinik (1876)
  • Nervenklinik (1881)
  • Pharmakologisches Institut (1888)
  • Pathologisches Institut (1891), später Institut für Gerichtmedizin (1906)
  • Frauenklinik (1891)
  • Kinderklinik (1891)
  • Augenklinik (1891)
  • HNO-Klinik (1896)
  • Hautklinik (1896)
  • Medizinische Klinik (Rotes Haus - 1897)
  • Chirurgisch-klinisches Institut (1900)
  • Pathologisches Institut (1905)
  • Anatomisches Institut (1906)
  • Hygienisches Institut (1907)
  • Erweiterung Chirurgische Klinik für Radiologie (1908)
  • Zahnklinik (1909)
Ein Lageplan der medizinischen Institute kann auf der Seite Carl Thiersch und das Medizinische Viertel eingesehen werden.

Diese außerordentliche intensive Bautätigkeit wurde auch durch den 500. Jahrestag der Gründung der Universität im Jahre 1909 stimuliert. Der Aufwand für die Baumaßnahmen betrug in den 31 Jahren von 1878 bis 1908 knapp 18 Millionen Mark, davon 14,8 Millionen Mark aus der Staatskasse und 3,2 Millionen Mark aus Mitteln der Universität.
Die Bautätigkeit wurde bald durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs unterbrochen. Weiterführende Pläne der Verlegung der Universität an den Stadtrand scheiterten außerdem an den zu hohen Kosten, obwohl bereits ein Grundstück im Stadtteil Probstheida erworben worden war.

Quellen:
Drucker, R.: Die Universitätsbauten 1650-1945 in Füßler, H. (Hrsg.): Leipziger Universitätsbauten, Leipzig 1961; S.167-215
Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, Die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion, Leipzig 1909
Die Institute der medizinischen Fakultät an der Universität Leipzig, Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 3, Leipzig 1909
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909, S. 125 - 169
Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909
Czok, K,: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917
In Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984
Kästner, I. und Thom, A. (Hrsg.): 575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig 1990, S. 29 - 114
http://de.wikipedia.org/wiki/Augusteum
http://de.wikipedia.org/wiki/Paulinerkirche_(Leipzig)
Baugeschichte der Universität Leipzig   http://axes.informatik.uni-leipzig.de/~zerbst/uni_hist/bau.htm
Universitätsbauten von Roßbach  http://www.htwk-leipzig.de/wiwi/wirtinformatik/win/rossbach/architektur/universitaet.html


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