Erich Brandenburg war einer der prominentesten Historiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am 31.07.1868 in Stralsund geboren, studierte er in Leipzig, Heidelberg, Göttingen und Berlin und wurde 1890 in Berlin promoviert. Er habilitierte sich 1895 in Leipzig und lehrte seit 1894 Neuere Geschichte an der Universität Leipzig, zunächst als Privatdozent, 1902 als außerordentlicher Professor und 1904 als Ordinarius.
In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte sich Brandenburg zunächst mit der Geschichte des ausgehenden Mittelalters, darunter der Reformationsgeschichte, und der sächsischen Landesgeschichte (Biographie und Briefwechsel Moritz' v. Sachsen). Zum Schwerpunkt seiner langjährigen Tätigkeit in Leipzig wurde jedoch die deutsche Geschichte des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Politisch identifizierte sich Brandenburg mit nationalen Zielen. 1904 trat er der Nationalliberalen Partei bei und wurde 1912 Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes. Im August 1914 meldete er sich - inzwischen 46-jährig - als Kriegsfreiwilliger und leistete als Offizier in einem Landsturmbataillon Besatzungsdienst in Belgien. Im November 1915 kehrte er an die Universität zurück.
Die Jahre des Krieges waren von enger Verbindung der wissenschaftlichen mit der politischen Tätigkeit Brandenburgs gekennzeichnet. Er widmete sich von 1914 bis 1918 vorwiegend der Kriegspublizistik. Als Anhänger der Monarchie trat er gegen Zweifel am deutschen Kriegsgewinn auf und vertrat als Kriegsziel einen Siegfrieden mit Gebietserweiterungen 1. Im Verlaufe des Krieges verfestigte sich seine nationalistische Grundhaltung.
An der Universität konnte Brandenburg seine Stellung ausbauen und war 1917/1918 Dekan der Philosophischen Fakultät
Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und die Novemberrevolution von 1918 bedeuteten für die in ihrer Mehrheit dem Kaiserreich verbundenen Hochschullehrer einen tiefen Einschnitt in ihr politisches und persönliches Leben. Auch Brandenburg lehnte eine parlamentarische Nachkriegsordnung mit einem Mehrparteiensystem ab und trat der im August 1917 gegründeten Deutschen Vaterlandspartei bei. Dennoch setzte er nach Niederlage und Revolution nicht auf Restauration, sondern beteiligte sich mit eigenen Gedanken an der Diskussion zur neuen Reichsverfassung. In dem von ihm 1919 vorgelegten Vorschlag für eine Verfassung der Republik 2 standen die Erhaltung des Positiven des Bismarckschen Reiches und der Primat der Außenpolitik im Vordergrund.
Erich Brandenburg als Rektor (UAL N00258) |
Nach 1920 zog er sich aus der Parteipolitik zurück. Er trat aus der Deutschen Demokratischen Partei aus und widmete sich wieder ganz seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Im Mittelpunkt stand dabei die Arbeit an seinem Buch "Von Bismarck zum Weltkriege". Es erschien in erster Auflage 1924 und entstand im Zusammenhang mit dem Auftrag des Auswärtigen Amtes von 1921 zur Darstellung der deutschen Außenpolitik von der Entlassung Bismarcks bis zum Kriegsausbruch auf der Grundlage der Akten.
Er war Mitglied der Sächsischen Kommission für Geschichte und ab 1922 deren Geschäftsführer und stand der 1928 gegründeten Historischen Reichskommission als Zweiter Stellvertreter vor. Sein Interesse galt vor allem den Kriegsursachen, den Ursachen der Niederlage und der Kriegsschuldfrage im Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles.
"Das Zeitalter des Liberalismus scheint beendet, eine neue Epoche autoritärer Regierungsweise im Aufsteigen begriffen zu sein."3 Zu dieser Feststellung kam er 1933. Er gehörte zu den Unterzeichnern des Professorenbekenntnisses zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. Obwohl nicht Mitglied der NSDAP, hatte er sich seit 1927 in Vorträgen und Artikeln offen zur Partei bekannt.
In den dreißiger Jahren beschäftigte er sich vor allem mit genealogischen Themen und der Arbeit an einer umfangreichen "Deutschen Geschichte". Das war keine Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankenguts, sondern eher eine Anpassung an das Regime. 1935 wurde er emeritiert, vertrat den Lehrstuhl jedoch ncoh bis zum April 1938. Er blieb auch Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und hielt während der Kriegsjahre Kontakt zur Universität.
Im Alter von 77 Jahren ist Erich Brandenburg am 22.01.1946 in Leipzig verstorben.
Quellen
Friedrich, C.: Erich Brandenburg: Historiker zwischen Wissenschaft und Politik, Leipzig 1998
Goetz, W.: Historiker in meiner Zeit, Köln/Graz 1957, S. 376/377
Wartenberg, G.: Erich Brandenburg http://www.ostdeutsche-biographie.de/braner96.htm eingesehen am 29.03.2008
Fußnoten
1 vgl. Friedrich, C.: Erich Brandenburg: Historiker zwischen Wissenschaft und Politik, S. 162 ff.
2 vgl. ebenda, S. 187 - 196.
3 Zitiert nach ebenda, S. 202.