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Leipziger Studenten in Zeitfreiwilligenverbänden

Nach dem Ersten Weltkrieg, seit Dezember 1918, wurden von meist beschäftigungslos gewordenen Offizieren Freiwilligenverbände aufgestellt, die überwiegend aus heimgekehrten Frontsoldaten bestanden, bewaffnet waren und sich staatlicher Duldung und Unterstützung erfreuten. Sie sollten das aufgelöste Heer ersetzen und nicht dem Einfluss der Arbeiter- und Soldatenräte unterliegen. General Ludwig Maercker, Kommandeur eines Landesjägerkorps, legte in seinem "Grundlegenden Befehl Nr. 1" die Richtlinien für seinen neuen Verband fest, die auch für die anderen Verbände galten: "Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Innern und Sicherung der Reichsgrenzen".
Für die Teilnahme am sogenannten "Grenzschutz Ost", einem Freiwilligenverband zur Sicherung der Gebiete im Osten vor polnischen und tschechoslowakischen Übergriffen, erschien am 6. Januar 1919 ein von der Reichsregierung, dem Zentralsoldatenrat und dem Generalkommando unterzeichneter Aufruf an die Bevölkerung. Die Studenten, auf die das Generalkommando große Hoffnungen gesetzt hatte, folgten diesem Aufruf nur zögerlich. Sie wollten die durch den Krieg verlorene Zeit endlich nachholen und ihr Studium beenden, standen aber den Zielen des Grenzschutzes positiv gegenüber. Nach Unruhen im Frühjahr 1919 erschien im März nochmals ein "Aufruf an die akademische Jugend Preußens" zum Eintritt in die Freiwilligenverbände. Auch Sachsen erließ einen ähnlichen Aufruf. An der Universität Leipzig beschloss am 26. März eine Allgemeine Studentenversammlung, dass sich die Studentenschaft nur bei einer Bedrohung des Staates an der Aktion beteiligen würde. Die Lage wurde vom Reichswehrministerium nicht als so bedrohlich eingestuft, dass die Universitäten im Land geschlossen werden mussten. Mit Rücksicht auf die Friedensverhandlungen in Versailles wurde der Aufruf gestoppt.
Auf Länderebene wurden seit März 1919 Einwohnerwehren als Selbstschutzorganisationen mit polizeilichen Aufgaben gebildet. Aus diesen gingen die Zeitfreiwilligenregimenter hervor, die militärisch eingesetzt werden sollten.

Am 7. April 1919 wurde als Folge der Ermordung Kurt Eisners, an der Freikorps beteiligt gewesen sein sollen, die Münchner Räterepublik proklamiert. In der Universität Leipzig löste insbesondere die Absetzung des Senats der Universität München durch einen revolutionären Hochschulrat Besorgnis aus. Am 10. April befasste sich der Senat der Leipziger Universität mit der Lage. Eine allgemeine Studentenversammlung am gleichen Tag beschloss, das Semester am 12. April zu beenden und die Universität zu schließen, damit sich die Studenten den bestehenden Reichswehrformationen im Bedarfsfall zur Verfügung stellen konnten. Rektor Kittel gab seine Zustimmung zur zeitweiligen Schließung der Universität.

Am 11. Mai 1919 wurde Leipzig auf Befehl der Reichsregierung und mit Zustimmung der sächsischen Landesregierung durch das Freikorps General Maerckers besetzt, nachdem schon am 14. April nach der Ermordung des sächsischen Kriegsministers Gustav Neuring der Belagerungszustand verhängt worden war. Anlass war der von der USPD und dem Spartakusbund für den 12. April proklamierte Generalstreik. Die Sicherheitswehr des Arbeiter- und Soldatenrates wurde entwaffnet, der Rat abgesetzt und dessen Führung vorübergehend festgenommen. Räume der Universität wurden mit Truppen, Waffen und Munition belegt.
 
  Der Bataillonsstab im Universitätshof  (UAL N00270)
Mitglieder der "Weißen Garde", die bereits im Dezember 1918 heimlich mit der Bewaffnung des Bürgertums begonnen hatten, stellten sich General Maercker als Zivilaufklärer und ortskundige Führer zur Verfügung. Die Weiße Garde wurde von Maercker im Einvernehmen mit der sächsischen Regierung am 13. April als Zeitfreiwilligenregiment unter dem XIX. Armeekommando legalisiert. Es bestand aus vier Bataillionen und rekrutierte sich aus Studenten, Beamten und Stadt- angestellten.
Auf einer Studentenversammlung am 23. Mai 1919 warb General Maercker persönlich bei den Studenten für den Eintritt in das Regiment. Das Leipziger Zeitfreiwilligenregiment hatte bereits 2.000 Mitglieder. Im Januar 1920 hatte es eine Stärke von 3.377 Mann. Ungefähr ein Drittel waren Studenten. Viele Bürger unterstützten das Zeitfreiwilligenregiment, weil sie einen Putsch linker Kräfte befürchteten. Der Senat der Universität und das Ministerium bemühten sich, den Einsatz der Studenten durch die Bereitstellung von Räumen in der Universität und Studienerleichterungen wie Abhaltung von Zwischensemestern, Notprüfungen und vereinfachte Examensvoraussetzungen zu ermöglichen. Von staatlicher Seite wurde den Zeitfreiwilligen finanzielle Unterstützung zugesagt.

Trotz häufiger Streiks und Unruhen infolge der hohen Arbeitslosigkeit in der Nachkriegszeit wurde das Zeitfreiwilligenregiment erstmalig im Januar 1920 alarmiert, nachdem sich in Leipzig ein Generalstreik gegen das Betriebsrätegesetz abzeichnete. Die Zeitfreiwilligen sollten bei möglichen Streikversuchen militärisch eingreifen und Demonstrationen auflösen. Da die Universität in dieser Zeit entgegen dem Beschluss vom April 1919, der die Schließung der Universität im Falle einer Alarmierung der Zeitfreiwilligen vorsah, nicht geschlossen wurde, befürchteten viele zeitfreiwillige Studenten eine Benachteiligung gegenüber den anderen Studenten, die ihr Studium fortsetzen konnten und als "geistige Kriegsgewinnler" angesehen wurden.
Als im März 1920 in Berlin Kapp und Lüttwitz gegen die Regierung putschten, wurde auch in Leipzig der Generalstreik ausgerufen. Gegen die Demonstranten rief der Kommandierende General, Senft von Pilsach, die Zeitfreiwilligen und Teile des Reichswehrregiments 37 zu den Waffen. Die Universität wurde geschlossen. Es kam zu Kämpfen in der Innenstadt mit vielen Opfern und schließlich zur Zerstörung des Volkshauses. Kreishauptmann Lange schätzte wenige Tage später ein, dass die Zeitfreiwilligen "bei der Durchsetzung ihrer Aufgabe über das Ziel hinausgeschossen sind". Die Zeitfreiwilligen beteuerten zwar, dass sie hinter der Regierung stünden und nur zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung eingesetzt wären, aber bei den Demonstranten erzeugte das Misstrauen und Hass auf die Vertreter der "Reaktion". Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld am Ausbruch der Gewalt. (siehe auch Der Kapp - Putsch 1920 in Leipzig) Auf Druck der Entente mussten die Freikorps im Frühjahr 1920 offiziell aufgelöst und die Stärke der vorläufigen Reichswehr auf 100.000 Mann begrenzt werden.

Quellen:
Schubert, A.: Die Universität Leipzig und die deutsche Revolution von 1918/19;  in v.Hehl, U. (Hrsg.): Sachsens Landesunuiversität in Monarchie, Republik und Diktatur, Leipzig 2005, S.171 - 191
Gohlis -- Standort des Militärs  http://www.leipzig-gohlis.de/historie/militaer.html, eingesehen am 8.8.2007


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