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Die Diskrimierung und Verfolgung von Hochschullehrern aus rassischen und politischen Gründen

Mit der Machtübernahme Hitlers erfolgte der gesellschaftliche Wandel, der auch für die Universität neue Unterstellungen und ideelle Abhängigkeiten mit sich brachte.
Aus der Leipziger Universität wurden zwischen 1935-1938 insgesamt 44 Professoren gemäß den §§ 3, 4 und 6 des "Reichsgesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" (BBG) entlassen. Der § 3 betraf "nicht arische" Beamte, die ausnahmsweise im Amt bleiben konnten, wenn sie bereits vor dem 1. August 1914 verbeamtet worden waren oder im Weltkrieg aktiv gekämpft hatten (sog. Frontkämpferparagraph). Der § 4 sah ausnahmslos die Entlassung von Beamten vor, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür boten, dass sie jederzeit für den nationalen Staat eintraten. Der § 6 ermöglichte die Entlassung von Beamten aus Gründen der "Vereinfachung der Verwaltung". Dieser schwammige Passus erlaubte es, eindeutig politisch motivierte Entlassungen zu verschleiern.
1933 wurden auf der Grundlage dieser Paragraphen 20 Hochschullehrer der Universität Leipzig entlassen:

"§ 3 BBG: Martin David, Alfred Doren, Karl Drucker, Ludwig Friedheim,, Max Goldschmidt, Lazar Gulkowitsch, Hans Holldack , Erwin Jacobi, Erich Marx, Felix Skutsch, Owsei Temkin, Georg Witkowski, Adolf Zade
§ 4 BBG: Hans Becker, Eduard Erkes, Wilhelm Friedmann, Walter Goetz, Gerhard Kessler, Johannes Richter
§ 6 BBG: Willibald Apelt". 1

Aber schon 1934 wurden Leo Rosenberg, obwohl vor dem 1. August 1914 verbeamtet, und Bruno Moll, der unter die Frontkämpferklausel fiel, entlassen. Als ehemalige Frontkämpfer und damit eigentlich unter die Schutzbestimmungen des Paragraph 3 fallend, wurden 1935 weitere jüdische Gelehrte entlassen ( Ernst Bettmann, Benno Landsberger, Friedrich Levi, Joachim Wach, Fritz Weigert).

Mit den sogenannten Nürnberger Gesetzen (RBG) von 1935 fiel die Frontkämpferklausel, und jetzt wurden auch so genannte jüdische Mischlinge wie "jüdisch versippte" Beamte entlassen.

1937 wurde Wolfgang Rosenthal die Lehrbefugnis entzogen (sein Großvater war Vorsteher einer Synagoge gewesen). Ebenso Carl Walter Kockel, da er mit einer "Nichtarierin" verheiratet war.
Es wurden von den Nationalsozialisten noch weitere Möglichkeiten genutzt, um unliebsame Hochschullehrer aus der Universität zu drängen.

Zwangsemeritierungen wurden eingesetzt, um den Eindruck zu vermeiden, es könnten politische Motive dahinter stecken. So wurde Hans Driesch (ein engagierter Pazifist) nahegelegt, um seine Emeritierung zu ersuchen. Sie erfolgte 1933. Ebenso wurden 1937 Theodor Litt und 1938 Felix Krueger zwangsweise in den Ruhestand versetzt.

Zu einem nachträglichen Entzug der Lehrbefugnis kam es im Fall von Felix Bloch (Nobelpreisträger Physik), der Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlassen und schriftlich einen Verzicht auf seine Lehrbefugnis erklärt hatte.

Nur drei kehrten nach Ende der NS-Diktatur nach Deutschland zurück (F. Levi, G. Kessler, H. Holldack), vier starben in KZ´s bzw. wurden ermordet (S. Hellmann, L. Friedheim, der Privatdozent G. Sacke, L. Gulkowitsch), einer nahm sich in der Gestapohaft das Leben (Wilhelm Friedmann).

Auch wenn die Mehrzahl der Leipziger Naturwissenschaftler dem Schicksal ihrer jüdischen Kollegen eher teilnahmslos zusah, gab es Fälle von Zivilcourage, die erwähnt werden müssen. Der Geophysiker Ludwig Weickmann hat in mehreren Fällen seinen jüdischen Schülern in den USA und Schweden zu einem Neuanfang verholfen, darunter dem Meteorologen Bernhard Haurwitz. Auch hat er sich im letzten Moment für die Rettung der Habilitation von Felix Bloch eingesetzt. Das gleiche gilt für Werner Heisenberg, der seinen ehemaligen Assistenten Guido Beck auf dessen weltweiter Flucht mit Geld unterstützt hat. Karl Friedrich Bonhoeffer schützte und betreute die aus rassischen Gründen verfolgten Studenten der Physik und Chemie Barbara Siegert, Heinz Gerischer und Walther Jaenicke.


1 Lambrecht,Ronald, Politische Entlassungen in der NS-Zeit : vierundvierzig biographische Skizzen von Hochschullehrern der Universität Leipzig, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2006 - (Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte : Reihe B ; 11), S.23

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