Erste Ergebnisse der Leipziger Elitendatenbank

Die Leipziger Elitendatenbank

Die Leipziger Elitendatenbank sammelt öffentlich frei zugängliche Informationen über die Inhaberinnen und Inhaber von Elitepositionen in Deutschland. In dem Vorgängerprojekt „Soziale Integration ohne Eliten“ wurden in den Jahren 2018/2019 bereits über 3000 Elitepositionen erhoben. Die aktuelle Erhebung nimmt das aktualisierte Sample aus dieser Erhebung als Grundlage. Die genaue Auswahl der Elitepositionen können Sie hier nachlesen. Dabei werden Eigenschaften der Positionen und deren Inhaber kodiert.

Entwicklung im zeitlichen Verlauf

Unter den 2.788 Personen, die in den Jahren 2022/23 Elitenpositionen innehaben, finden sich nur zwölf Prozent gebürtige Ostdeutsche. Dieser Anteil variiert deutlich zwischen den gesellschaftlichen Bereichen. Wie bereits frühere Untersuchungen ergaben, sind die Ostdeutschen allein im politischen Bereich nicht unterrepräsentiert – allerdings nur, wenn die Landesebene einbezogen wird. In den politischen Positionen auf Bundesebene allein liegt der Anteil der Ostdeutschen bei nur 13,3 Prozent. In den übrigen Bereichen außerhalb der Politik sind Ostdeutsche ebenfalls seltener, zum Teil deutlich seltener, vertreten. In Spitzenpositionen der öffentlichen Verwaltung, bei Arbeitnehmervertretungen und zivilgesellschaftlichen Gruppen und im Bereich Sicherheit ist ihr Anteil immerhin noch zweistellig. In den Bereichen Wirtschaft, Justiz und Militär liegt er jedoch sogar unter fünf Prozent.

Erstmals kann die Entwicklung der Unterrepräsentation auf breiter empirischer Basis im Zeitverlauf beobachtet werden. Der Vergleich der Spitzenpositionen zwischen 2018 und 2022 insgesamt zeigt einen leichten Anstieg des Anteils an Ostdeutschen von 10,9 auf 12,3 Prozent. Ostdeutsche wurden vor allem in Spitzenpositionen der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung präsenter. Zudem gibt es keinen gesellschaftlichen Bereich, in dem ein deutlicher Rückgang verzeichnet wurde.

 20182022
SektorFallzahlHerkunft berichtet (in Prozent)Ostherkunft (in Prozent)FallzahlHerkunft berichtet (in Prozent)Ostherkunft (in Prozent)
Politik60995.919.959893.620.9
Medien30562.67.932557.28.1
Kultur9045.69.810547.68.0
Zivilgesellschaft16647.014.117943.013.0
Glaubensgemeinschaften6485.95.56485.97.3
Wirtschaft und Arbeitgeberverbände42459.95.139258.94.3
Verwaltung53362.39.957654.714.0
Wissenschaft16276.51.616374.88.2
Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände4479.514.34584.413.2
Justiz18774.91.417580.02.1
Militär7871.80.07067.10.0
Sicherheit10144.613.39640.610.3
Gesamt276370.010.9278866.712.2
Anteil der Ostdeutschen 2018 und 2022 (alle Personen im jeweiligen Sample)

Sobald eine Person mehrere Positionen innehat, wird sie dem Sektor zugewiesen, in dem ihre zuletzt übernommene Elitenposition liegt.

Findet ein Generationenwechsel statt?

Ein Erklärungsansatz für die Unterrepräsentation Ostdeutscher in den Positionseliten sind die Langzeitwirkungen des DDR-Systems, des Systemwechsels und des Beitritts. Dies ist nun über 30 Jahre her und es könnte angenommen werden, dass im Zuge der Wiedervereinigung von Westdeutschen bezogene Elitenpositionen frei werden und genug qualifizierte ostdeutsche Kandidatinnen und Kandidaten existieren, um diese zu besetzen.

Bei der Wiedervereinigung wurden Gesetze, Abschlüsse und auch informelle Qualifikationen für die Führung von Betrieben fast gesamt aus der BRD übernommen. DDR-Juristen, höhere Angehörige der Nationalen Volksarmee und Leiter von Volkseigenen Betrieben hatten zu dieser Zeit nicht die (formale) Qualifikation oder wurden als politisch zu belastet eingeschätzt, um höhere Posten zu bekleiden, sodass viele der freiwerdenden und neu geschaffenen Führungs- und Elitenpositionen durch Westdeutsche übernommen wurden.

Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten genug Ostdeutsche Qualifikationen erworben und Laufbahnen abgeschlossen haben, um in Elitenpositionen aufzusteigen. Gleichzeitig sollten die Westdeutschen, die damals diese Stellen angetreten haben, nun in den Ruhestand gehen. Demnach wäre ein Generationenwechsel erwartbar, durch den sich die Unterrepräsentation Ostdeutscher in Elitenpositionen verringern sollte.

Findet ein solcher Generationenwechsel tatsächlich statt, sollte sich zeigen, dass viele von Westdeutschen besetzten Elitepositionen nun von Ostdeutschen besetzt werden, während Ostdeutsche eher auf den Positionen bleiben oder eher von Ostdeutschen gefolgt werden.

Positionen nach Herkunft im Zeitverlauf20182022 Westdeutsch2022 Ostdeutsch
Westdeutsch1582 (88,6 %)1506 (95,2 %)76 (4,8 %)
Ostdeutsch203 (11,4 %)69 (34,0 %)134 (66,0 %)
Σ Gesamt1785 (100 %)1575 (88,2%)210 (11,8%)
Positionen, welche 2018/2022 von Ost-/Westdeutschen besetzt waren

Bei dem Vergleich mit anderen veröffentlichten Zahlen ist zu beachten, dass hier erstens Positionen und nicht Personen betrachtet werden und zweitens nur solche Positionen betrachtet werden, welche in beiden Jahren Teil des Samples sind.

Betrachtet man (nur) die Positionen, deren Inhaberinnen oder Inhaber seit 2018 wechselten und bei denen bekannt ist, ob sie aus Ost- oder Westdeutschland stammen, werden sowohl von West- als auch von Ostdeutschen besetzte Positionen eher von Westdeutschen besetzt. Von den 128 von Ostdeutschen besetzten Positionen, deren Inhaber seit 2018 wechselten wurden 59 (46,1 Prozent) wieder mit Ostdeutschen besetzt, von den 839 von Westdeutschen eingenommenen Positionen, deren Inhaber seit 2018 wechselten, wurden hingegen 91,9 Prozent) wieder von Westdeutschen übernommen. Insgesamt nahm die Zahl der Ostdeutschen jedoch leicht zu. Ostdeutsche machen einen Anteil von 13.3 Prozent der Neubesetzungen aus. Dies bleibt jedoch wieder deutlich unter dem Anteil an Ostdeutschen in der Gesamtbevölkerung.

Ein Generationenwechsel, bei dem Ostdeutsche vermehrt auf bisher von Westdeutschen eingenommene Elitenpositionen folgen, lässt sich folglich bisher nicht erkennen.

Definition Ostdeutsch

Die Antwort auf die Frage, wie viele der Inhaberinnen und Inhaber von Elitenpositionen Ostdeutsche sind, hängt auch davon ab, wer als ostdeutsch gilt. Es gibt dabei eine Reihe von Möglichkeiten, wie den Geburtsort, Wohnort, Selbstidentifikation oder den Ort des Aufwachsens. Dabei ist weiterhin eine klare Trennung in ost- und westdeutsch schwierig, da viele Menschen verschieden lange in Ost- oder Westdeutschland wohnen. Gilt jemand mit westdeutschen Eltern als westdeutsch, der seit dem 14. Lebensjahr in Erfurt wohnt? Dennoch verwenden wir hier den Geburtsort, da für den allergrößten Teil der Eliten und auch der Bevölkerung Geburtsregion, Sozialisation und Wohnregion kongruent nach Ost- oder Westdeutschland bzw. DDR und BRD verortet werden können.[1]

Fußnoten

[1] Nach einer Schätzung auf Basis einer Bevölkerungsbefragung im Rahmen des Projekts „Soziale Integration ohne Eliten?“ und Daten des Statistischen Bundesamtes betrug der Anteil der gebürtigen Ostdeutschen im Jahr 2019 ca. 19,4 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung.

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