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Die Neubauten der Universität am Karl-Marx-Platz

Am 4. Dezember 1943 erfolgte der schwerste Bombenangriff auf Leipzig. Weitere folgten am 20. Februar und 30. November 1944 sowie am 27. Februar und am 06. und 10. April 1945. Bei diesen Angriffen verlor die Universität mehr als 60 % ihres Gebäudebestandes (s. auch Die Zerstörung von Gebäuden und Einrichtungen der Universität). Die Folge davon war, dass in den Nachkriegsjahren eine starke Zersiedelung der Universität in zahlreiche behelfsmäßige Ausweichquartiere, die über die ganze Stadt verteilt waren, stattfand.

Dem Politbürobeschluss vom 30. Juni 1959 zufolge sollten das Bildermuseum an der Südseite des Karl-Marx-Platzes und das Augusteum an der Westseite wieder aufgebaut und die Universitätskirche zurückgesetzt werden, um einen Neubau davor zu setzen. 1961 bis 1965 wurde die Ostseite mit dem Hauptpostamt und dem Hotel "Deutschland" bebaut. Die Ruine des Bildermuseums wurde 1962 gesprengt. Dadurch war nur noch die Westseite des Platzes mit der Universität in ihrer ursprünglichen Gestalt vorhanden.

 
Das beschädigte Augusteum am Karl-Marx-Platz bis 1968  
Die Karl-Marx-Universität hatte mit ihren berechtigten Forderungen nach ausreichend Raum maßgeblichen Anteil daran, daß es schließlich zu Bauplanungen kam, die auch die stark kriegsbeschädigten Gebäude und die intakte Universitätskirche preisgaben. Es stellte sich die Frage, ob es sich lohne, Ruinen auszubauen "Oder soll das zerstörte Alte einem neuen Größeren und Schöneren Platz machen, um den zentralen Platz unserer Stadt nach den Grundsätzen des sozialistischen Städtebaus großzügiger und einheitlicher zu gestalten?" (Stadtarchitekt Walter Lucas in der LVZ vom 16.10.1960).
Die SED-Parteispitze des Bezirkes Leipzig hatte nachdrücklich den Wiederaufbau des traditionsreichen Augusteums gefordert, das als unter Denkmalschutz stehend behandelt werden müsse. Die Universität forderte aber immer wieder einen Neubaukomplex. Als auch die Verrollung der Universitätskirche als undurchführbar gescheitert und dadurch der vorgesetzte Neubau in Frage gestellt waren, ordnete der Rat der Stadt am 21. Juni 1960 eine Untersuchung der Bebauung der Süd- und Westseite des Karl-Marx-Platzes ohne Altsubstanz an. Insofern ist den damaligen Entscheidungsträgern der Universität ein gehöriges Maß an Mitverantwortung für die Zerstörung des alten Universitätskomplexes zuzuweisen. Es gab allerdings nie eine Forderung der Universität zur Sprengung der Universitätskirche. Am 23. Mai 1968 beschloss die 15. Stadtverordneten- versammlung, mit dem Bau eines neuen Universitätskomplexes dem Karl-Marx-Platz ein sozialistisches Gepräge zu geben.

Am Wettbewerb zur Gestaltung des Karl-Marx-Platzes hatten sich Architektenkollektive aus Berlin, Rostock, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig beteiligt.

1968 wurden zuerst die intakt gebliebene gotische Universitätskirche St. Pauli und später die verbliebenen, z.T. schwer beschädigten Gebäude wie das Augusteum, das Albertinum und das Johanneum am Karl-Marx-Platz (heute wieder Augustusplatz) gesprengt.


 
Universitätshauptgebäude und Hochhaus 1976  



Die Erschließung der Baustelle begann noch im gleichen Jahr. Der Betonkörper des Universitätshochhauses wurde im monolithischen Gleitverfahren gegossen. Jede Woche wuchs er um ein Geschoss. Die übrigen Bauten wurden in Stahlbeton- und Stahlskelettmontagebauweise errichtet. Diesen hochrationalisierten Bauverfahren war zu verdanken, dass bereits im September 1971 das Hauptgebäude am Karl-Marx-Platz übergeben werden konnte. Es beherbergte das Rektorat und zentrale Verwaltungen. Eine Wandfläche im Rektoratsgebäude wurde 1973 mit dem Gemälde von Werner Tübke "Arbeiterklasse und Intelligenz" gestaltet.







Am 5. Oktober 1974 wurde das Bronzerelief der Künstler Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe und Rolf Kuhrt zur Portalgestaltung des Hauptgebäudes übergeben.
 
  Bronzerelief am Hauptgebäude
Das Hochhaus (ebenfalls am Karl-Marx-Platz), das Seminargebäude in der Universitätsstraße und die Mensa in der Grimmaischen Straße folgten mit Beginn des Herbstsemesters 1973.
 
  Mensatrakt in der Grimmaischen Straße, im Hintergrund das Hauptgebäude
Die Gesellschaftswissenschaftliche Zweigstelle der Universitätsbibliothek und der Hörsaalkomplex in der Universitätsstraße wurden 1974 eröffnet. 1975 war der Neubaukomplex einschließlich der Außenanlagen nach einer insgesamt sechsjährigen Projektierungs- und Bauzeit fertiggestellt und in vollem Betrieb.

Neben dem Eingang zu den Hörsälen wurde 1981 anlässlich des 200. Geburtstags Karl Friedrich Schinkels das von ihm entworfene Portal des ehemaligen Universitätshauptgebäudes am Augustusplatz aufgestellt.

Zwischen Hörsaalgebäude und Moritzbastei erhielt das Leibnizdenkmal, das der Dresdner Bildhauer Ernst Hähnel 1883 gestaltet hat, einen neuen Standort.

Unter den Arkaden in der Grimmaischen Straße wurden aus dem Kunstbesitz der Universität stammende Plastiken, z.B. Epitaphien, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das geplante Auditorium maximum, das für das gesamte kulturelle Leben der Universität eine wichtige Rolle gespielt hätte, wurde nicht realisiert. Statt dessen konnte die Universität für ihre alljährlichen Immatrikulationsfeiern und einige andere Veranstaltungen das 1981 fertiggestellte Neue Gewandhaus nutzen.

Der größte Teil der naturwissenschaftlichen Fachrichtungen verblieb in seinen angestammten Institutsbauten. Nur die Gesellschaftswissenschaften ohne die Disziplinen Kunsterziehung, Musikwissenschaft und Musikpädagogik wurden im Neubau am Karl-Marx-Platz angesiedelt. Die zu verschiedenen Sektionen zusammengefaßten Fachbereiche (s. auch Hochschulreformen der DDR) und die Sektionsleitungen zogen in das Hochhaus ein, was dazu führte, dass zwar wieder eine Konzentration vieler Lehreinrichtungen am Karl-Marx-Platz erreicht war, aber durch die räumliche Trennung sowohl zwischen Lehrenden und Studierenden als auch zwischen Hörsaal, Bibliothek und Seminarräumen die akademische Ausbildung erschwert wurde.
Von Anfang an hatte das Hochhaus funktionelle Grundschwächen: die bereits erwähnte räumliche Trennung von den Hörsälen und Seminarräumen, die unpraktische Verteilung der universitären Einrichtungen auf 23 Etagen, nicht ordnungsgemäße Funktion der Klimaanlage bei nicht zu öffnenden Fenstern sowie ständige Personenstaus vor den Aufzügen.

Im Seminargebäude gab es 3.240 Plätze mit einer modernen audio-visuellen Technik, mit Studios, Lehrfernseh- und Dolmetschertrainingsanlagen.
Das Hörsaalgebäude hatte 22 Hörsäle mit 3.300 Plätzen.
Eine Außenstelle der Universitätsbibliothek beherbergte 500.000 Bücher. Im Lesesaal gab es 375 Arbeitsplätze.
Die Zentralmensa hatte 1.250 Tischplätze. Im Mensagebäude waren auch die technischen Einrichtungen für die Klimatisierung der Neubaugebäude untergebracht.

Die Einbindung des Neubaukomplexes in das Stadtzentrum wurde nur unzureichend verwirklicht. Es fehlten Räumlichkeiten für eine öffentliche kulturelle Nutzung. Der Neubau war außerdem ohne städtebauliche oder archtektonische Bindung an das historisch gewachsene Gefüge der Leipziger Innenstadt entstanden. Topfstedt 1 bezeichnet die Gebäude als "baukünstlerisch belanglos". Im Gegensatz dazu sei mit dem Hochhaus "eine eindrucksvolle architektonische Geste" gelungen. Architekt Henselmann stellte in seinem Entwurf drei konkav einschwingende Betonscheiben so zueinander, daß sie einen dreieckig erscheinenden Turmkörper bilden, der als "aufgeschlagenes Buch" und damit als bauliche Metapher für "Wissenschaft" verstanden werden sollte. Das Hochhaus war mit einer hellen Stahl-Aluminium-Vorhangfassade verkleidet. Durch den in einer geschwungenen Spitze auslaufenden oberen Gebäudeabschluß wurde die Bildidee einer aufstrebenden "Fahne" erzeugt. Durch diese eigenwillige Formung hat das Leipziger Universitätshochhaus eine unverwechselbare, die Stadtsilhouette prägende Gestalt erhalten. Es wurde zu einem international bekannten Wahrzeichen von Leipzig. Es war und ist das höchste Bauwerk in Leipzig. Seit 1996 gehört es allerdings nicht mehr der Universität.

1 http://www.peer-pasternack.de/texte/HS_Bau%20DDR.pdf , Seite 168ff, eingesehen am 06.05.2009

weitere Quellen:
http://axes.informatik.uni-leipzig.de/~zerbst/uni_hist/bau.htm, eingesehen am 06.05.2009
http://www.hgb-leipzig.de/kunstorte/ap_einfuehrung.html, eingesehen am 06.05.2009
http://www.wischer-leipzig.de/rede_hocq.htm, eingesehen am 06.05.2009


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