Wie mit Hilfe von Methan und CO₂ der Plastikverschmutzung begegnet werden kann

Der sogenannte „Country Overshoot Day“ markiert jedes Jahr den Tag, an dem das jährliche Biokapazitätsbudget eines Landes aufgebraucht wäre, wenn alle Menschen weltweit so leben würden wie dessen Bevölkerung. In Deutschland fällt dieser Tag 2025 bereits auf den 3. Mai – über drei Monate früher als noch im Vorjahr. Im Forschungs- und Transferzentrum b-ACTmatter der Universität Leipzig werden innovative Ansätze erforscht, um der wachsenden Ressourcenknappheit bei gleichzeitig steigender Weltbevölkerung durch nachhaltige Produktionsprozesse und kreislauforientierte Technologien zu begegnen. Das Projekt REPLACER entwickelt Generationen hybrider lebender Materialien. Sie sollen mit Hilfe von CO2 und Methan die Plastikverschmutzung verringern, sagt Projektleiter Dr. Rohan Karande im Interview.

PET-Recycling: Biochemiker gründen Startup

Das Enzym PHL7 kommt groß raus, entdeckt auf dem Leipziger Südfriedhof in einem Komposthaufen: Es zersetzt PET, wie zum Beispiel Plastik-Obstschalen aus dem Supermarkt, zu über 90 Prozent, und das in einer Rekordzeit von 16 Stunden. Das ist doppelt so schnell wie bei bisherigen Enzymen. Mit diesem biologischen PET-Recycling lassen sich Ressourcen sparen, insbesondere fossile und umweltschädliche Energieträger. Aus diesen Erkenntnissen der Forschung, über die auch in Fachjournalen berichtet wurde, entwickelten Biochemiker Dr. Christian Sonnendecker und Dr. Ronny Frank von der Universität Leipzig eine Geschäftsidee und gründeten jüngst die Firma ESTER Biotech.

Bioaktive Materie – Technologien für die nachhaltige Produktion und eine gesunde Umwelt der Zukunft

Aktuell stehen wir vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Themen wie Ressourcenknappheit, Klimakrise, soziale und ökonomische Ungerechtigkeit sind Fragen von akuter Relevanz. Am 24. März 2025 veranstaltete das universitäre Forschungs- und Transferzentrum b-ACTmatter ein Symposium zu diesen zentralen Fragestellungen. Das interdisziplinäre und breitaufgestellte Wissenschaftsteam des Zentrums kooperiert mit regionalen und internationalen Partnern, um innovative Lösungen zu entwickeln und diese erfolgreich am Markt zu etablieren.  

Unter Anwesenheit von Vertretern der Sächsischen Staatsministerien für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) sowie für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) veranstaltete das Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie der Universität Leipzig (b-ACTmatter ) am 24. März 2025 ein eintägiges Symposium, das sich mit neuen Lösungsansätzen für drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourcenknappheit, nachhaltige Produktionsprozesse sowie umfassenden Umweltschutz und Monitoring beschäftigte. Gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung wurde diskutiert, wie interdisziplinäre Forschung im Bereich bioaktiver Materie – mit Eigenschaften lebender und biologischer Organismen – dazu beitragen kann, diese Herausforderungen zu bewältigen und innovative Lösungen rasch in industrielle Anwendungen zu überführen. Das Symposium bot einerseits einen Rückblick auf die vergangenen drei Jahre, in denen das Zentrum im Rahmen des Projektes „aufbauACT“, das Teil des STARK-Programms zur Strukturförderung in Braunkohleregionen ist, aufgebaut wurde. Andererseits richtete es den Blick in die Zukunft, um die nächsten Schritte und Ziele zu definieren.

Mit akademischen und industriellen Partnern aus Sachsen, Deutschland und ganz Europa wurde das vielfältige Portfolio von b-ACTmatter diskutiert. Die Themen reichten von der KI-gestützten Entwicklung bioaktiver Stoffe über Technologien zur Umwandlung von CO₂ und Abfallströmen in nachhaltige chemische Produkte und Energieträger bis hin zu innovativen Fleischalternativen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem schnellen und effizienten Transfer neuester Forschungsergebnisse in technologische Anwendungen und industrielle Prozesse. Intensiv erörtert wurden sowohl bestehende Hürden beim Technologietransfer als auch neue regionale Möglichkeiten im Raum Leipzig, die insbesondere durch die Förderung im Rahmen des STARK-Programms zum Strukturwandel in den Braunkohleregionen entstehen.

Erfolgreiche Beispiele präsentierten vielversprechende Start-ups und Ausgründungsinitiativen wie Pacifico Biolabs, EST3R Biotech und SCPsense. Sie verdeutlichten, wie entscheidend die Unterstützung durch Partner im unternehmerischen, wissenschaftlichen und technologischen Bereich ist – darunter die Gründungsinitiative SMILE der Universität Leipzig, b-ACTmatter sowie die Verbände leap:up und medical:forge – um kritische Hürden im Ausgründungsprozess erfolgreich zu meistern.​​​​​​​​​​​​​​​​

Rückblickend zeigte das Symposium, dass sich b-ACTmatter seit seinem Start im Juli 2021 erfolgreich in der Region etabliert und zugleich ein starkes nationales sowie internationales Netzwerk aufgebaut hat. In dieser Zeit konnte das Zentrum gemeinsam mit über 20 Partnern aus Wissenschaft und Industrie in mehr als 20 Projekten neue Forschungsergebnisse erzielen. Parallel dazu unterstützt b-ACTmatter aktiv innovative Ausgründungsvorhaben wie Pacifico Biolabs, EST3R Biotech und SCPsense. Die aktuellen Forschungsprojekte REPLACER, BIOWIN, LivMat und Microbial Leaf nutzen zukunftsweisende Konzepte hybrider lebender Materialien, um aus CO₂ und/oder Abfallströmen biobasierte und nachhaltig erzeugte Vorprodukte für Kunststoffe, Futtermittel oder Pharmazeutika herzustellen.

Wie geht es weiter?  In strategischer Zusammenarbeit mit anderen regionalen Zentren und Instituten entwickelt b-ACTmatter neue Perspektiven für Forschung und Transfer im Bereich der bioaktiven Materie: Das Zentrum wird seine Kooperation mit dem im Aufbau befindlichen Center for the Transformation of Chemistry (CTC) sowie dem Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik Meinsberg e.V. intensivieren. Zudem plant b-ACTmatter gemeinsam mit dem BBZ der Universität Leipzig im Rahmen dessen Neuausrichtung die Etablierung eines Venture Labs, um Innovationen noch gezielter in die wirtschaftliche Anwendung zu überführen.​​​​​​​​​​​​​​​​

Mit Blick auf die ersten Jahre von b-ACTmatter äußerten sich auch die Grußredner des Symposiums ausgesprochen positiv über die Entwicklung des Zentrums: der Prorektor für Exzellenzentwicklung: Forschung und Transfer, Prof. Dr. Jens-Karl Eilers, sowie die Vertreter der Sächsischen Staatsministerien – Dr. Konstantin Pötschke vom Ministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) und Dr. Lutz Bryja vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK). Dr. Konstantin Pötschke, Leiter des Referats für überregionale Maßnahmen der Strukturentwicklung, unterstrich dabei treffend, dass die erste Periode des Zentrums ein „AUFBAU-ACT” gewesen sei. Das solide Fundament ist nun gelegt und damit bestehen hervorragende Voraussetzungen für weiteres Wachstum und Innovation.

Mit dieser starken Basis und seinem interdisziplinären Netzwerk ist b-ACTmatter bestens positioniert, um in den kommenden Jahren bahnbrechende Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln und die Region Leipzig als Innovationsstandort für bioaktive Technologien international zu etablieren.

Die Zukunft der nachhaltigen Bioökonomie hat hier bereits begonnen.​​​​​​​​​​​​​​​​

Eindrücke vom Veranstaltungstag. Fotos: Universität Lepzig, b-ACTmatter

Wissenschaftskommunikation: Forschung kurzweilig und unterhaltsam präsentiert

Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu bringen und eigene Forschungsinhalte sowie Argumente ansprechend zu vermitteln, stellt eine wichtige Qualifikation für Wissenschaftler dar.

Selina Hanisch, Doktorandin in der Arbeitsgruppe BioMat von b-ACTmatter, stellte ihre Forschungsarbeit im Herbst gleich auf zwei Veranstaltungen kurzweilig und unterhaltsam der Öffentlichkeit vor.

Beim „Salon der Wissenschaft“ am 6. November 2024 im Industriemuseum Chemnitz erhielten die Besucher von Forschenden aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen Antworten auf Fragen wie “Wann werden wir Kleidung aus CO2 tragen?”, “Wann werden wir komplett emissionsfrei reisen?” oder “Wie können wir die Energiewende schaffen?”. Bei dem Veranstaltungsformat steht der persönliche Austausch im Mittelpunkt.
Gemeinsam mit anderen Experten aus Aachen, Dresden, Freiberg und Ilmenau stellte sich Selina den Fragen der wissenschaftsinteressierten Gästen aus der Umgebung in einem „Frag-den-Wissenschaftler“ Interview-Format. Parallel zum Event konnte auch die Wanderausstellung “Power2Change: Mission Energiewende” besucht werden.

Auch an der Universität Leipzig wird jährlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Podium geboten, wo Graduierte ihre Forschungsarbeit allgemeinverständlich und kurzweilig präsentieren können. Am 12. November 2024 veranstaltete die Graduiertenakademie Leipzig zum “Tag der Promotion” einen Science Slam. Hier konnte die eigene Forschung in 10 min unterhaltsam präsentiert werden. Jack Pop, bekannt vom Circus of Science, führte mit interaktiven Experimenten durch den Abend.
Beim Science Slam belegte Selina an diesem Abend mit ihrer Präsentation mit dem Titel „Bacterial co-housing: from survival to synergy“ den 2. Platz. Herzlichen Glückwunsch!

Selina Hanisch (links) beim Salon der Wissenschaft im Industriemuseum Chemnitz. Foto: Marcel Frank

Neue Geschäftsführerin am Forschungs- und Transferzentrum b-ACT matter

Im November 2024 hat Franziska Ullm die Geschäftsführung des Forschungs- und Transferzentrums für bioaktive Materie b-ACT matter übernommen und folgt damit auf Dr. Susanne Ebitsch, die im Oktober die Universität Leipzig verlassen und zum Center for the Transformation of Chemistry (CTC) gewechselt war.

Die Universität Leipzig ist für die aus Sachsen stammende Biochemikerin kein Neuland. Hier hat sie bereits Biologie studiert und später im Masterstudium Biochemie mit der Vertiefung Biomedizin.
Im Anschluss an ihr Studium blieb Franziska Ullm der Universität Leipzig vorerst erhalten: Bis 2022 arbeitete sie am Institut für Biochemie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin, wo sie Erfahrungen in der Koordination von Forschungsprojekten und der Betreuung wissenschaftlicher Nachwuchskräfte sammelte.

Die vergangenen zwei Jahre war sie am FILK Freiberg Institute gGmbH tätig, einer außeruniversitären Freiberger Forschungseinrichtung mit akkreditiertem Prüflaboratorium, die sich auf Materialwissenschaften und Technologieentwicklung spezialisiert haben.

Wir freuen uns, dass Franziska Ullm die administrative Leitung des Zentrums übernommen hat und heißen Sie herzlich willkommen!

Franziska Ullm ist neue Geschäftsführerin am Forschungs- und Transferzentrum b-ACTmatter

Was ist eigentlich Kreislaufwirtschaft?

SAS und b-ACTmatter besuchen Schülerinnen und Schüler in Lommatzsch

Am 6. und 7. August referierten Dr. Susanne Ebitsch, Geschäftsführerin von b-ACTmatter, und Thomas Wendland von der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung GmbH SAS, zum Thema Kreislaufwirtschaft an der Lommatzscher Oberschule für Pflege.

Ziel war es den Schülern der 8. und 9. Klassenstufe das Thema anhand der Wanderausstellung „Kreislaufwirtschaft aus der Perspektive sächsischer Forschungseinrichtungen“ die Projekte enzymatisches Kunststoffrecycling des Gründungsteams ESTER Biotech und die Kunststoffherstellung mit schleimigen Bakterien und Algen-WGs der Nachwuchsgruppe BIOMAT von b-ACTmatter näher zu bringen. Gemeinsam mit den Schülern wurden Ideen entwickelt, wie jeder zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beitragen kann. Besonderer Hingucker waren die mitgebrachten Trinkbecher und Gartengeräte aus biobasiertem Kunststoff (PBS @ Exipnos).
Die Kreislaufwirtschaft hat besonders große Potenziale für eine erfolgreiche Strukturentwicklung im Freistaat Sachsen. Ziel war es deshalb auch, die junge Generation für die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft zu sensibilisieren und erste Einblicke in die Forschung und in die zukünftige Berufswelt zu geben.

Herzlichen Dank an die Schulleiterin Frau Gerlach und an alle beteiligten Klassenlehrer!

Dr. Susanne Ebitsch und Thomas Wendland in der Oberschule Lommatzsch. Foto: Thomas Wendland

b-ACT matter Retreat in Nimbschen

Weg vom Schreibtisch und raus aus dem Labor: Abseits vom Forschungsalltag konnte das Team von b-ACT matter beim Retreat einen Tag im Hotel Kloster Nimbschen in der Nähe von Grimma den aktuellen Stand der Forschungs- und Transferprojekte in b-ACT Matter Revue passieren lassen.
Dr. Henri Franquelim und Dr. Rohan Karande stellten die innovative Forschung ihrer Nachwuchsgruppen zur Entwicklung von biomimetischen Systemen und Biomaterialien vor. So bieten die Projekte LivMat und REPLACER Chancen, um mit neuen, bakteriellen Technologien die chemische Industrie zu tranformieren.

Im Transferbereich stellte Prof. Tilo Pompe das Start-up-Projekt seiner Forschungsgruppe vor, in welchem Point-of-Use-Sensor-Assays entwickelt und als mobile Nachweisverfahren von chemischer Verbindungen in Umweltproben zum Einsatz kommen können. Dr. Christian Sonnendecker vom Start-Up EST3R Biotech zeigte die neusten Optimierungen im Design der plastikabbauenden Enzyme auf dem Weg zu Hochdurchsatzverfahren für die industrielle Nutzung.

Vorträge des Forschungs- und Transferprojekte beim Retreat von b-ACT Matter

Foto: b-ACT matter

Start des Projektes LivMat

Am 1. Juli startete unser neues M-ERA.NET Projekt „Produktive katalytische lebende Materialien: Kombination von fibrillären 3D-Membranen auf Biobasis mit synthetischen mikrobiellen Konsortien zur Herstellung von Chemikalien“.

Gemeinsam mit unseren Partnern vom Helmholtz Centre for Environmental Research (UFZ), Solaga GmbH, Istanbul Technical University, Kaunas University of Technology und University of Latvia werden wir in den kommenden drei Jahren biobasierte poröse Materialien mit mikrobiellen Konsortien versuchen zu syndizieren. Ziel ist es, natürliche Ressourcen und Abfallprodukte für die kontinuierliche Synthese von Chemikalien effektiv zu verwerten und so die Grundlage für katalytische lebende Materialien zu demonstrieren.

Im Rahmen des Projekts werden wir den Ansatz durch die Produktion von Monomeren für die Synthese von Textilpolymeren, einschließlich ε-Caprolacton und Adipinsäure, veranschaulichen.

Neue Publikation zur Modulierung parakriner Zellsignale in einem biomimetischen Wundheilungsmodell

In Zusammenarbeit mit Kollegen des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden und des Max-Bergmann-Zentrums für Biomaterialien Dresden haben wir eine Arbeit im Journal Gels veröffentlicht, die sich mit einem biomimetischen Wundheilungsmodell beschäftigt, bei dem primäre menschliche Fibroblasten und Makrophagen in 3D-Kollagennetzwerken kultiviert werden, die mit sulfatierten Glykosaminoglykanen funktionalisiert sind. Wir zeigen, dass die Funktionalisierung des Netzwerks und der Grad der Sulfatierung der GAGs die parakrine Zell-Zell-Signalübertragung im In-vitro-Modell beeinflusst.

b-ACT matter auf der Sächsischen Innovationskonferenz 2024

Das Team von b-ACTmatter hatte viel Spaß und großartige Gespräche auf der Sächsischen Innovationskonferenz 2024 am 19. Juni 2024.

Im Workshop „Von der Forschung zum Produkt – wie gelingt das?“ bekamen wir Anregungen, wie wir mit Design Thinking unsere Forschungsergebnisse anwendungsorientiert und nutzer:innenzentriert weiterentwickeln können und wurden kreativ (siehe Bild Rohan Karande ). Danke an Jannis Bulla , Milina Rochelle Alber und Lydia Woiterski.

Ronny Frank berichtet auf der Konferenz über die Ergebnisse der Validierungsförderung des Teams ESTER Biotech .

Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner:innen des sächsischen Gründerpreis:

  • 1. Platz: enaDyne
  • 2. Platz: next3D
  • 3. Platz: Primogene
Foto: b-ACT matter