Wie mit Hilfe von Methan und CO₂ der Plastikverschmutzung begegnet werden kann

Der sogenannte „Country Overshoot Day“ markiert jedes Jahr den Tag, an dem das jährliche Biokapazitätsbudget eines Landes aufgebraucht wäre, wenn alle Menschen weltweit so leben würden wie dessen Bevölkerung. In Deutschland fällt dieser Tag 2025 bereits auf den 3. Mai – über drei Monate früher als noch im Vorjahr. Im Forschungs- und Transferzentrum b-ACTmatter der Universität Leipzig werden innovative Ansätze erforscht, um der wachsenden Ressourcenknappheit bei gleichzeitig steigender Weltbevölkerung durch nachhaltige Produktionsprozesse und kreislauforientierte Technologien zu begegnen. Das Projekt REPLACER entwickelt Generationen hybrider lebender Materialien. Sie sollen mit Hilfe von CO2 und Methan die Plastikverschmutzung verringern, sagt Projektleiter Dr. Rohan Karande im Interview.

PET-Recycling: Biochemiker gründen Startup

Das Enzym PHL7 kommt groß raus, entdeckt auf dem Leipziger Südfriedhof in einem Komposthaufen: Es zersetzt PET, wie zum Beispiel Plastik-Obstschalen aus dem Supermarkt, zu über 90 Prozent, und das in einer Rekordzeit von 16 Stunden. Das ist doppelt so schnell wie bei bisherigen Enzymen. Mit diesem biologischen PET-Recycling lassen sich Ressourcen sparen, insbesondere fossile und umweltschädliche Energieträger. Aus diesen Erkenntnissen der Forschung, über die auch in Fachjournalen berichtet wurde, entwickelten Biochemiker Dr. Christian Sonnendecker und Dr. Ronny Frank von der Universität Leipzig eine Geschäftsidee und gründeten jüngst die Firma ESTER Biotech.

Bioaktive Materie – Technologien für die nachhaltige Produktion und eine gesunde Umwelt der Zukunft

Aktuell stehen wir vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Themen wie Ressourcenknappheit, Klimakrise, soziale und ökonomische Ungerechtigkeit sind Fragen von akuter Relevanz. Am 24. März 2025 veranstaltete das universitäre Forschungs- und Transferzentrum b-ACTmatter ein Symposium zu diesen zentralen Fragestellungen. Das interdisziplinäre und breitaufgestellte Wissenschaftsteam des Zentrums kooperiert mit regionalen und internationalen Partnern, um innovative Lösungen zu entwickeln und diese erfolgreich am Markt zu etablieren.  

Unter Anwesenheit von Vertretern der Sächsischen Staatsministerien für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) sowie für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) veranstaltete das Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie der Universität Leipzig (b-ACTmatter ) am 24. März 2025 ein eintägiges Symposium, das sich mit neuen Lösungsansätzen für drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourcenknappheit, nachhaltige Produktionsprozesse sowie umfassenden Umweltschutz und Monitoring beschäftigte. Gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung wurde diskutiert, wie interdisziplinäre Forschung im Bereich bioaktiver Materie – mit Eigenschaften lebender und biologischer Organismen – dazu beitragen kann, diese Herausforderungen zu bewältigen und innovative Lösungen rasch in industrielle Anwendungen zu überführen. Das Symposium bot einerseits einen Rückblick auf die vergangenen drei Jahre, in denen das Zentrum im Rahmen des Projektes „aufbauACT“, das Teil des STARK-Programms zur Strukturförderung in Braunkohleregionen ist, aufgebaut wurde. Andererseits richtete es den Blick in die Zukunft, um die nächsten Schritte und Ziele zu definieren.

Mit akademischen und industriellen Partnern aus Sachsen, Deutschland und ganz Europa wurde das vielfältige Portfolio von b-ACTmatter diskutiert. Die Themen reichten von der KI-gestützten Entwicklung bioaktiver Stoffe über Technologien zur Umwandlung von CO₂ und Abfallströmen in nachhaltige chemische Produkte und Energieträger bis hin zu innovativen Fleischalternativen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem schnellen und effizienten Transfer neuester Forschungsergebnisse in technologische Anwendungen und industrielle Prozesse. Intensiv erörtert wurden sowohl bestehende Hürden beim Technologietransfer als auch neue regionale Möglichkeiten im Raum Leipzig, die insbesondere durch die Förderung im Rahmen des STARK-Programms zum Strukturwandel in den Braunkohleregionen entstehen.

Erfolgreiche Beispiele präsentierten vielversprechende Start-ups und Ausgründungsinitiativen wie Pacifico Biolabs, EST3R Biotech und SCPsense. Sie verdeutlichten, wie entscheidend die Unterstützung durch Partner im unternehmerischen, wissenschaftlichen und technologischen Bereich ist – darunter die Gründungsinitiative SMILE der Universität Leipzig, b-ACTmatter sowie die Verbände leap:up und medical:forge – um kritische Hürden im Ausgründungsprozess erfolgreich zu meistern.​​​​​​​​​​​​​​​​

Rückblickend zeigte das Symposium, dass sich b-ACTmatter seit seinem Start im Juli 2021 erfolgreich in der Region etabliert und zugleich ein starkes nationales sowie internationales Netzwerk aufgebaut hat. In dieser Zeit konnte das Zentrum gemeinsam mit über 20 Partnern aus Wissenschaft und Industrie in mehr als 20 Projekten neue Forschungsergebnisse erzielen. Parallel dazu unterstützt b-ACTmatter aktiv innovative Ausgründungsvorhaben wie Pacifico Biolabs, EST3R Biotech und SCPsense. Die aktuellen Forschungsprojekte REPLACER, BIOWIN, LivMat und Microbial Leaf nutzen zukunftsweisende Konzepte hybrider lebender Materialien, um aus CO₂ und/oder Abfallströmen biobasierte und nachhaltig erzeugte Vorprodukte für Kunststoffe, Futtermittel oder Pharmazeutika herzustellen.

Wie geht es weiter?  In strategischer Zusammenarbeit mit anderen regionalen Zentren und Instituten entwickelt b-ACTmatter neue Perspektiven für Forschung und Transfer im Bereich der bioaktiven Materie: Das Zentrum wird seine Kooperation mit dem im Aufbau befindlichen Center for the Transformation of Chemistry (CTC) sowie dem Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik Meinsberg e.V. intensivieren. Zudem plant b-ACTmatter gemeinsam mit dem BBZ der Universität Leipzig im Rahmen dessen Neuausrichtung die Etablierung eines Venture Labs, um Innovationen noch gezielter in die wirtschaftliche Anwendung zu überführen.​​​​​​​​​​​​​​​​

Mit Blick auf die ersten Jahre von b-ACTmatter äußerten sich auch die Grußredner des Symposiums ausgesprochen positiv über die Entwicklung des Zentrums: der Prorektor für Exzellenzentwicklung: Forschung und Transfer, Prof. Dr. Jens-Karl Eilers, sowie die Vertreter der Sächsischen Staatsministerien – Dr. Konstantin Pötschke vom Ministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) und Dr. Lutz Bryja vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK). Dr. Konstantin Pötschke, Leiter des Referats für überregionale Maßnahmen der Strukturentwicklung, unterstrich dabei treffend, dass die erste Periode des Zentrums ein „AUFBAU-ACT” gewesen sei. Das solide Fundament ist nun gelegt und damit bestehen hervorragende Voraussetzungen für weiteres Wachstum und Innovation.

Mit dieser starken Basis und seinem interdisziplinären Netzwerk ist b-ACTmatter bestens positioniert, um in den kommenden Jahren bahnbrechende Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln und die Region Leipzig als Innovationsstandort für bioaktive Technologien international zu etablieren.

Die Zukunft der nachhaltigen Bioökonomie hat hier bereits begonnen.​​​​​​​​​​​​​​​​

Eindrücke vom Veranstaltungstag. Fotos: Universität Lepzig, b-ACTmatter

Kick-off Meeting des M-ERA.NET-Projektes LivMat

Im Sommer startete das neue b-ACTmatter-Projekt „LivMat: Productive catalytic living materials: combining 3D biobased fibrillar membranes with synthetic microbial consortia to produce chemicals“ (Produktive katalytische lebende Materialien: Kombination von 3D biobasierten fibrillären Membranen mit synthetischen mikrobiellen Konsortien zur Herstellung von Chemikalien).
Am 19. September 2024 trafen sich die Projektpartner der Universität Leipzig, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Technischen Universität Istanbul (ITU), der Technischen Universität Kaunas (KUT), der Universität von Lettland (ULaT) und der Solaga GmbH in der Leipziger BIO CITY zum Kick-off Meeting.

Bei dem Kick-off-Meeting stellten die Projektpartner ihre jeweiligen Expertisen und Methoden vor und konkretisierten die nächsten Schritte und Aufgaben im Projektablauf. Die Wissenschaftler tauschten sich darüber aus, wie Methoden, Werkstoffe und die Bedingungen der verwendeten Technologien und derzeitige Modelle verbessert werden und welche Rolle KI bei den Optimierungsprozessen spielen könnte.

Das nächste Treffen der Projektpartner ist im kommenden Jahr in Istanbul geplant.

Ausgangspunkt und Ziel des Livmat-Projektes

Die globalen chemischen Systeme sind in erster Linie von fossilen Brennstoffen abhängig, daher begrenzt und emissionsintensiv. Nachhaltige Lösungen für die Herstellung von Chemikalien für eine Kreislauf-(Bio-)Wirtschaft sind daher zwingend notwendig.
Das Hauptziel des LivMat-Projekts ist die Erfassung und Nutzung natürlicher Ressourcen (wie Naturfasern) und Abfallressourcen (z. B. CO2) zur Entwicklung katalytischer lebender Materialien (cat-LMs), die robust, energieeffizient und für die chemische Produktion skalierbar sind. Im Rahmen des Projekts LivMat wird die Entwicklung eines synthetischen mikrobiellen Konsortiums angestrebt, welches auf natürliche und Abfallressourcen zurückgreift. Zudem ist die Konstruktion von Prototypen von Bioreaktoren auf der Grundlage von Kat-LMs für die kontinuierliche Monomerproduktion vorgesehen. Das Verfahren hilft CO2 zu binden und die Ziele der EU zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu unterstützen. Mit der Entwicklung von Bioreaktoren-Prototypen für die kontinuierliche chemische Produktion unterstützt das Projekt den Europäischen Green Deal und den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.

Fördernetzwerk M-ERA.NET

Gefördert wird das Projekt über M-ERA.NET („Material and Energy Research Alliance – European Network“). Das Konsortium ist ein europäisches Netzwerk öffentlicher Förderorganisationen, welches die Koordinierung nationaler und regionaler Förderprogramme im Bereich der Material- und Batterietechnologien unterstützt und verbessert. Gefördert werden Projekte mit innovativen Technologien, welche die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen verfolgen und vorantreiben.

Aktive Mikropartikel für die Künstliche Intelligenz nutzen

Künstliche Intelligenz mit neuronalen Netzen führt Berechnungen digital mithilfe von mikroelektronischen Chips durch. Physiker der Universität Leipzig haben nun eine Form des neuronalen Netzes realisiert, das nicht mit Strom, sondern mit sogenannten aktiven kolloidalen Teilchen arbeitet. In ihrer Veröffentlichung dazu in der renommierten Zeitschrift „Nature Communications“ geht es darum, diese Mikropartikel als physikalisches System für die Künstliche Intelligenz und die Vorhersage von Zeitreihen zu benutzen.

Zur Pressemitteilung der Universität Leipzig

Mit „Replacer“ zu nachhaltigen Futterproteinen

Im Projekt „Replacer“ entwickeln Forscher:innen sogenannte hybride lebende Materialien. Es geht um mikrobielle Proteine mit einem geringen Kohlenstoff-Fußabdruck, hoher Akzeptanz und erschwinglichen Kosten – durch die Nutzung von Treibhausgasen. Das Fernziel: eine nachhaltige Produktion von Futterproteinen. Angewandte Forschung also, mit Optionen für einen späteren Transfer. Koordiniert wird das Projekt vom Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie (b-ACTmatter).

Erfahren Sie mehr über das Projekt REPLACER:
Pressemitteilung
Website REPLACE

Leipziger Forschungsteam entwickelt Verfahren für biobasiertes Nylon

Elektronen und Mikroben sind dafür die entscheidenden Helfer

Bislang basierte die Produktion von Nylon auf erdölbasierten Ausgangsstoffen. Diese ist umweltschädlich, weil fossile Ressourcen genutzt, viel Energie benötigt und bei der Produktion klimaschädliches Lachgas ausgestoßen werden. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Leipzig entwickelte nun im Labor ein Verfahren, mit dem aus Phenol durch eine elektrochemische Synthese und den Einsatz von Mikroorganismen Adipinsäure, einer von zwei Grundstoffen von Nylon, produziert werden kann. Zudem gelang es zu zeigen, dass Phenol durch Abfallstoffe aus der Holzindustrie ersetzt werden kann. Damit könnte biobasiertes Nylon hergestellt werden. Publiziert wurde die Forschungsarbeit im Fachjournal Green Chemistry.

In T-Shirts, Strümpfen, Hemden, Seilen oder gar als Bestandteil von Fallschirmen und Autoreifen – überall dort kommen Polyamide als synthetische Kunstfasern zum Einsatz, für  die Ende der 1930er Jahre der Name Nylon geschaffen wurde. Nylon-6 und Nylon-6,6 sind zwei Polyamide, die rund 95 Prozent des globalen Nylon-Marktes ausmachen und aus fossilen Rohstoffen produziert werden. Doch dieser petrochemische Prozess ist umweltschädlich – zum einen, weil dabei weltweit rund zehn Prozent des klimaschädlichen Distickstoffmonoxids (Lachgas) ausgestoßen werden, zum anderen, weil er viel Energie benötigt. „Unser Ziel ist, die gesamte Produktionskette von Nylon grün zu machen. Das ist möglich, wenn wir auf biobasierte Abfälle als Ausgangsstoffe zugreifen und den Syntheseprozess nachhaltig gestalten“, sagt Prof. Dr. Falk Harnisch, Leiter der Arbeitsgruppe Elektrobiotechnologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Wie das gelingen kann, haben die Leipziger Forschenden um Falk Harnisch und Dr. Rohan Karande (Universität Leipzig/ Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie b-ACTmatter) in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Green Chemistry beschrieben. So besteht Nylon zu rund 50 Prozent aus Adipinsäure, die bisher industriell aus Erdöl gewonnen wird. In einem ersten Schritt wird dabei Phenol zu Cyclohexanol umgewandelt, das dann zur Adipinsäure umgesetzt wird. Für diesen energieintensiven Prozess sind hohe Temperaturen, ein hoher Gasdruck und organische Lösungsmittel notwendig, zudem werden viel Lachgas und Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Die Forschenden haben nun ein Verfahren entwickelt, in dem sie Phenol mithilfe eines elektrochemischen Prozesses in Cyclohexanol umwandeln können. „Die dahinterstehende chemische Umwandlung ist dieselbe wie bei den etablierten Verfahren: Die elektrochemische Synthese ersetzt jedoch das Wasserstoffgas durch elektrische Energie, findet in wässriger Lösung statt und braucht dafür lediglich Umgebungsdruck und Raumtemperatur“, erläutert der Elektrobiotechnologe Falk Harnisch. Damit diese Reaktion möglichst schnell und effizient läuft, braucht es einen geeigneten Katalysator. Dieser soll die Ausbeute an Elektronen, die für die Reaktion notwendig sind, und die Effizienz, wie viel Cyclohexanol letztlich aus Phenol entsteht, maximieren. In Laborexperimenten zeigten sich die besten Ausbeuten mit einem auf Kohlenstoff basierten Rhodium-Katalysator mit fast 70 Prozent an Elektronen und knapp mehr als 70 Prozent Cyclohexanol. „Die relativ kurze Reaktionszeit, die effiziente Ausbeute und die effektive Energienutzung sowie Synergien mit dem biologischen System machen dieses Verfahren für eine kombinierte Produktion von Adipinsäure attraktiv“, urteilt Dr. Micjel Chávez Morejón, UFZ-Chemiker und Erstautor der Studie. Wie in einem zweiten Schritt das Bakterium Pseudomonas taiwanensis Cyclohexanol in Adipinsäure umwandelt, hatten bereits in einer früheren Forschungsarbeit zwei andere UFZ-Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Katja Bühler und Prof. Dr. Bruno Bühler herausgefunden. „Bislang war es nicht gelungen, die Reaktion von Phenol zu Cyclohexanol mikrobiell ablaufen zu lassen. Diese Lücke haben wir durch die elektrochemische Reaktion geschlossen“, bilanziert Dr. Rohan Karande, der diese Arbeiten in Kooperation mit dem UFZ jetzt an der Universität Leipzig fortsetzt.

Und noch eine weitere Lücke einer grünen Nylon-Produktion konnten die Leipziger Forscher:innen schließen, indem sie perspektivisch eine umweltfreundliche Alternative für das aus fossilen Ausgangsstoffen produzierte Phenol entwickelten. Dafür setzten sie Monomere wie beispielsweise Syringol, Catechol oder Guaiacol ein, die allesamt als Abbauprodukt von Lignin – einem Abfallprodukt der Holzwirtschaft – anfallen. „Wir haben für diese Modellsubstanzen zeigen können, dass wir gemeinsam den Weg bis zur Adipinsäure gehen können“, sagt Falk Harnisch. Und Rohan Karande ergänzt: „Weltweit werden rund 4,5 Millionen Tonnen Adipinsäure hergestellt. Wenn wir dafür Holzreststoffe erschließen, hätte das einen entscheidenden Einfluss auf den Weltmarkt.“

Bis das ligninbasierte Nylon marktreif wird, ist es allerdings noch ein weiter Weg. So haben die Wissenschaftler:innen für den 22-stündigen Gesamtprozess, also von den Monomeren aus Ligninresten mittels elektrochemischer und mikrobieller Reaktionsschritte hin zur Adipinsäure, bislang eine Ausbeute von 57 Prozent erzielt. „Das ist eine sehr gute Ausbeute“, sagt Micjel Chávez Morejón. Noch basieren die Ergebnisse auf Laborversuchen im Milliliter-Maßstab. Deswegen sollen in den nächsten beiden Jahren die Voraussetzungen geschaffen werden, um das Verfahren in den Litermaßstab zu bringen. Für diesen Technologietransfer ist nicht nur ein besseres Verständnis des gesamten Prozesses notwendig, sondern unter anderem auch der Einsatz von echten statt wie bislang modellhaften Ligninmischungen und die Verbesserung der elektrochemischen Reaktoren. Falk Harnisch und Rohan Karande sind sich einig: „Das Verfahren für das ligninhaltige Nylon zeigt exemplarisch das große Potenzial elektrochemisch-mikrobieller Prozesse, da durch die intelligente Art der Kombination verschiedener Komponenten eine optimale Prozesskette aufgebaut werden kann.“

Das Verfahren zur Entwicklung von biobasiertem Nylon wird gefördert über das UFZ- Programm für Innovationen „transfun“, das die Umsetzung von Ideen in die Anwendung am UFZ unterstützt. Ergänzt werden die bereitgestellten Projektmittel in Höhe von 250.000 Euro durch Eigenleistungen der Universität Leipzig.  

+

Publikation:
Micjel Chávez Morejón, Alexander Franz, Rohan Karande, and Falk Harnisch: Integrated electrosynthesis and biosynthesis for the production of adipic acid from lignin-derived phenols. Green Chemistry, https://doi.org/10.1039/D3GC01105D

Weitere Informationen: Prof. Dr. Falk Harnisch
Gruppenleiter Elektrobiotechnologie, Department Umweltmikrobiologie
E-Mail

Mit hybriden lebenden Materialien vom Abfall zu Futterproteinen

Klimawandel, Plastikverschmutzung und Ernährungsunsicherheit sind existenzielle Bedrohungen und stellen Europa und die Welt vor enorme Herausforderungen. M-era.Net und der Freistaat Sachsen bewilligten kürzlich ein Projekt, welches sich diesen Herausforderungen stellt: Das REPLACER-Projekt erforscht nachhaltige Technologien, mit denen aus Treibhausgasen mittels Algen oder Bakterien Futterproteine oder Kunststoffbausteine hergestellt werden können.

Kreislaufwirtschaft. Abbildung: b-ACT/BBZ Geschäftsführung

Das REPLACER-Projekt „Recycling von Kunststoffen und Entwicklung hybrider lebender Materialien durch Abscheidung von Treibhausgasen zur Herstellung von Mehrwertprodukten“ möchte  mit Hilfe sogenannter hybrider lebender Materialien (HLMs) die Vorteile von lebenden, biologischen Materialien mit innovativen Technologien kombinieren, um eine nachhaltige Produktion von Rohstoffen zu ermöglichen.
Das Projekt verfolgt einen Ansatz, bei welchen mit mikrobieller Biomasse, wie zum Beispiel Algen, Treibhausgase gebunden werden. Das Kohlendioxid und Methan dieser Gase wird in Zuckerketten umgewandelt, welche dann als Grundlage für die Herstellung von Kunsstoffbausteinen oder Futterproteinen dienen könnten.

Konkretes Ziel ist die Entwicklung und Skalierung HLM-basierter Bioreaktor-Prototypen mit porösen Membranen aus recyceltem Plastik, die eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglichen und Lösungsansätze für die großen Zukunftsaufgaben geben, vor denen unsere Gesellschaft derzeit steht: die Nahrungs- und Futtermittelunsicherheit, die zunehmende Plastikverschmutzung und der Klimawandel. Neben der Reduktion von Treibhausgasemissionen könnte mit Hilfe dieser Technologie nicht nur die Umweltverschmutzung durch Kunststoffe verringert, sondern auch nachhaltige und wertschöpfende Futtermittel produziert werden. Die Forschungsergebnisse könnten also bei der Erreichung mehrerer relevanter UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) helfen.

Dr. Rohan Karande, wissenschaftlicher Leiter des Projektes hofft, in drei bis vier Jahren einen Prototyp im Pilotmaßstab vorstellen zu können.

REPLACER ist eines der Projekte, welches aus 82 eingereichten Vorschlägen bei der M-ERA.NET- Ausschreibung 2022 zum Thema „Funktionelle Materialien“ ausgewählt wurde. Im Fokus stehen die Erreichung der Ziele des Europäischen Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft der EU-Kommission. Gefördert werden Projekte, deren Ansatz die Entwicklung fortschrittlicher, ressourceneffizienter Technologien für eine Kreislaufwirtschaft ermöglichen.

Das REPLACER-Projekt wird durch das Forschungs- und Transferzentrum für bioaktive Materie (b-ACTmatter) der Universität Leipzig koordiniert. Neben dem Projektkoodinator Dr. Rohan Karande wird das Projekt durch Prof. Frank Cichos, Dr. Susanne Ebitsch, Prof. Oskar Hallatschek und Prof. Tilo Pompe getragen. Weitere sächsische Kooperationspartner sind das Leibniz-Institut für Oberflächentechnik (IOM) und das Materialtechnologieunternehmen qCOAT GmbH. Auf europäischer Ebene sind Partner der Universität Lettland und die Holisun SRL, Rumänien, an dem Konsortium beteiligt.

Wissens- und Technologietransfer: Lost in Translation?

Wie können Innovationen schneller in die Praxis gelangen? Dr. Susanne Ebitsch, Geschäftsführerin des Forschungs- und Transfer-Centers für bioaktive Materialien, bACTmatter an der Universität Leipzig, zeigt auf, wie der Wissens- und Technologietransfer aus der Universität heraus beschleunigt und verbessert werden könnte.

https://www.goingpublic.de/life-sciences/wissens-und-technologietransfer-lost-in-translation/