Die Fakultäten-Struktur der Universität Leipzig blieb auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten unverändert. Es gab nach wie vor 5 Fakultäten:
- Theologische Fakultät
- Juristische Fakultät
- Philosophische Fakultät, gegliedert in 2 Abteilungen -
in eine philologisch-historische Abteilung und
eine naturwissenschaftlich-mathematische Abteilung - Medizinische Fakultät
- Veterinärmedizinische Fakultät.
Auch die Institute hatten relativen Bestandsschutz. Es gab keine Schließungen, jedoch Umbenennungen oder inhaltliche Neuausrichtungen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Der Umfang der Veränderungen hing zwangsläufig von der fachspezifischen Beeinflussbarkeit der Lehrinhalte und auch von der Einstellung und Standhaftigkeit der Professoren ab. Letzteres hatte natürlich seine Grenzen durch die Einführung des "Führerprinzips" in den Verwaltungsstrukturen der Universität sowie in der parteipolitischen Einflussnahme bei der Besetzung der Professuren. Die Vergabe von Fördermitteln war ein weiteres Druckmittel auf den Lehrkörper.
Die Theologische Fakultät hatte in der Nazizeit einen starken Rückgang der Studentenzahlen zu verzeichnen. Inhaltlich wehrten sich die Leipziger Professoren gegen die vom NS-Ideologen Alfred Rosenberg verbreiteten Publikationen, nach denen selbst dem Christentum ein arischer Anstrich gegeben werden sollte. Diese "staatsfeindlichen" Aktivitäten sowie das Desinteresse staatlicher und auch kirchlicher Stellen am Weiterbestehen der Fakultät nach Ausbruch des Krieges führte zu Schließungsabsichten durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, die von der Fakultätsleitung sowohl im Januar 1940 als auch zu Beginn des Wintersemesters 1942 abgewehrt werden konnte.
Auch an der Juristischen Fakultät ist entsprechend der allgemeinen Tendenz ein Rückgang der Studenten festzustellen.
Das Profil der Fakultät bot vielfältige Ansätze für das Eindringen der NS-Ideologie, was nicht ohne Auswirkungen blieb. So wurden ab Herbst 1933 Vorlesungen zur Rassenkunde Pflicht für alle Jurastudenten. 1935 wurden neue Lehrinhalte eingeführt, u.a. das Recht zum Schutz von Rasse und Volksgesundheit. Die Juristenfakultät der Universität wurde zu einer Pflegestätte eines neuen deutschen Rechts. So arbeiteten z.B. die Leipziger Professoren Karl Michaelis und Franz Wieacker an einem "Volksgesetzbuch" im Rahmen der Akademie für Deutsches Recht mit.
Bei der Überprüfung nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurden 1933/34 aus der Fakultät mit dem Arbeitsrechtler Erwin Jacobi, dem Privatrechtler Konrad Engländer, dem Öffentlichrechtler Hans Apelt und dem Zivilrechtler Leo Rosenberg vier Lehrstuhlinhaber suspendiert. 13 Professoren konnten ihren Lehrbetrieb fortsetzen. Darunter waren so namhafte Professoren wie Paul Koschaker, Lehrstuhlinhaber für römisches und deutsches bürgerliches Recht, der Strafrechtler Eberhard Schmidt oder der Rechtshistoriker Franz Beyerle. Mit Franz Wieacker lehrte ab 1937 ein bedeutender Gelehrter für römisches Recht an der Leipziger Juristenfakultät.
Beim Luftangriff am 4. Dezember 1943 wurden Gebäude und nahezu alle Akten der Fakultät vernichtet. 1944 wurde der Lehrbetrieb eingestellt.
In der Philosophischen Fakultät mit ihren vielfältigen Gliederungen in Institute und Fachgebiete waren die Auswirkungen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten entsprechend weit gefächert. Es soll hier nur auf einige ausgewählte Beispiele verwiesen werden.
Die Erziehungswissenschaften standen unter besonderen Einfluss der NS-Ideologie. Die von Prof. Theodor Litt aufgebaute Sozialpädagogik wurde schrittweise zerlegt und nach seiner vorzeitigen Erimitierung 1937 durch das neu geschaffene "Psychologisch-pädagogische Institut" des NS-Getreuen Hans Volkelt ersetzt. Die "Rassenkunde" wurde Pflichtfach für alle Lehramtsstudenten.
Auch die Geschichtswissenschaften waren eine anfällige Disziplin für ideologische Verführungen.
Das Lamprechtsche "Institut für Kultur- und Universalgeschichte" von Walter Goetz wurde unter Hans Freyer zum "Institut für Politik" mit dem Ziel der Einflussnahme auf die politische Erziehung der Studentenschaft, die in drei Stufen erfolgen sollte:
Stufe 1 - Grundausbildung der Studenten durch das "Amt für politische Schulung" in
Verantwortung des NS-Studentenbundes,
Stufe 2 - Erziehung durch Lehrveranstaltungen im "Seminar für politische Erziehung", welches
zeitweise unter Leitung von Werner Studentkowski stand, dem Leiter des
Gauschulungsamtes der sächsischen NSDAP und späteren einflussreichsten Akteur in
der sächsischen Hochschulpolitik,
Stufe 3 - Einführung der Wissenschaft in der Politik durch das Freyersche Institut, in welchem
das "Reich der Deutschen als ewige Idee" angesehen wurde.
Die sächsische Landesgeschichte, seit 1906 im "Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde" unter Rudolf Kötzschke angesiedelt, geriet ebenfalls immer mehr unter den Einfluss der völkischen Vorstellungen. Mit der Ablösung Kötzschkes 1935 durch den nazitreuen Adolf Helbock und der Umbenennung der Professur in "Landesgeschichte und Volkstum" war der Weg geebnet.
Selbst die naturwissenschaftlich-mathematische Abteilung des Philosophischen Instituts war dem Einfluss der NS-Ideologen ausgesetzt. Das nebenstehende Beur- teilungsschreiben des NSD-Dozentenbundes zu Prof. Heisenberg ist ein Beispiel der gezielten Einflussnahme 1.
Trotz der komplizierten Verhältnisse kam es in Leipzig zu herausragenden Leistungen in der Mathematik und Kernphysik. Mit Werner Heisenberg, Peter Debye, Friedrich Hund und dem Mathematiker Bartel L. van Waerden wirkten an der Universität herausragende Gelehrte mit weltweit anerkannten Forschungsergebnissen. Gegen den Einfluss einer sogen. "Deutschen Physik" wanden sich neben anderen Heisenberg und Debye mit einer Denkschrift, die für den Verfall der Wissenschaft in Deutschland die NS-Hochschulpolitik verantwortlich machte, indem sie zur Vertreibung bedeutender Gelehrter aus Deutschland führt.
Die Medizinische Fakultät hatte nach anfänglichen Rückgängen in den Studentenzahlen 1939 einen steilen Anstieg (von ca. 600 auf ca. 2000) zu verzeichnen, was überwiegend auf die Schließung von Medizinischen Fakultäten an kleineren Hochschulen zurück zu führen ist.
Das Studium beinhaltete einen wissenschaftlichen und einen praktischen Abschnitt. Zu letzteren gehörte u.a. Krankenpflegedienst oder Fabrik- bzw. Landdienst.
Der Einfluss der NS-Ideologie war in einigen Bereichen gravierend. So wurde 1934 eine Ordentliche Professur für Rassenhygiene eingerichtet. Der Ordinarius für Pädiatrie Werner Catel war aktiv an der Ausmerzung so genannten "unwerten Leben" beteiligt.
Nachdem gleich zu Beginn der NS-Diktatur alle jüdischen Dozenten ausgeschlossen wurden, verzeichnet die Besetzung der Ordinariate an der Fakultät eine erstaunliche Kontinuität. Die 20 Lehrstühle blieben überwiegend besetzt mit den Wissenschaftlern, die diese bereits vorher inne hatten. Unter ihnen waren solche anerkannten Gelehrten wie der Gynäkologe Hugo Selheim, der Anatom Hans Held, der Chirurg Erwin Payr oder der Physiologe Martin Gildemeister, die erst mit ihrer Pensionierung ersetzt wurden.
Auch in der Veterinärmedizinischen Fakultät war ein wissenschaftlicher (acht Semester) und ein praktischer Abschnitt zu absolvieren. Die Studentenzahlen blieben über die NS-Zeit etwa gleich. Der NS-Einfluss auf die Lehrinhalte hielt sich naturgemäß in Grenzen. Unter den von 1933 bis 1935 entlassenen und diskriminierten 68 Wissenschaftlern der Universität war auch Hugo Grau, Privatdozent in der Veterinärmedizin.
1 Krause, K.: Alma mater Lipsiensis, Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart, S. 301