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Die Philosophische Fakultät

Die Philosophische Fakultät hatte sowohl quantitativ als auch qualitativ den Hauptanteil an der Entwicklung Leipzigs zur Spitzenuniversität in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Anzahl der Studenten stieg von rund 100 um 1850 auf 750 in den Jahren nach der Reichsgründung und auf 2230 im Zeitraum 1904/09 1. Der Anteil der Studierenden der Philosophischen Fakultät an der Gesamtzahl der Universität Leipzig betrug seit der Jahrhundertwende mehr als 50 % 2.

(aus Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten 100 Jahren, Leipzig 1909; S. 26)

Gründe dafür waren der rasch wachsende Bedarf an akademisch ausgebildeten Fachleuten in der staatlichen Verwaltung, in der Wirtschaft, im Bildungswesen und auf anderen Gebieten. In Verbindung damit entstanden neue Berufe und neue Studienrichtungen. Die Entwicklung der Wissenschaft und hier besonders der Naturwissenschaft erforderte die Einrichtung neuer und den Ausbau vorhandener Institute.
Der Anstieg der Studentenzahlen der philosophischen Fakultät erfolgte sowohl absolut als auch relativ unterschiedlich in den Fächern. Besonders groß war er bei den Naturwissenschaften im engeren Sinne einschließlich Landwirtschaft und bei der Altphilologie. Die Anteile betrugen 18,5 % und 18,1 % 3.


Die Entwicklung der Institute und Seminare 4
Die philologische und philosophisch-historische Sektion


Philologisches Seminar, Proseminar und Institut. Der wachsende Bedarf an Altphilologen, besonders als Gymnasiallehrer, konnte nicht mehr durch die Theologische Fakultät gedeckt werden und erforderte die Erweiterung des 1809 von Gottfried Hermann gegründeten philologischen Instituts und Seminars in der philosophischen Fakultät. Anfang des 20. Jahrhunderts waren als Ordinarien Justus Hermann Lipsius, Erich Bethe und Richard Heinze tätig.

Archäologisches Institut. Im Sommersemester 1841 durch Wilhelm Adolf Becker und Otto Jahn gegründet, wurde es 1853 durch Johannes Overbeck ausgebaut. Es verfügte über umfangreiche Sammlungen, darunter Abgüsse antiker Skulpturen und besonders Keramik-Originale. Seit 1896 war Franz Studniczka Direktor.

Ägyptologisches Institut. Eröffnung um 1820 durch Wilhelm Spohn und Gustav Seyffarth, die die ägyptologische Sammlung aufbauten. Seit 1870 wurde Georg Ebers a.o. Professor, 1875 Ordinarius. Unter seiner Leitung erfolgte die Erweiterung der Sammlung, u.a. auch durch Papyri. Bekanntestes Exemplar ist das Papyrus Ebers, eine Buchrolle zur Heilkunde des alten Ägypten aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts v.Chr.. 1893 wurde Georg Steindorff Direktor. Mitglieder des Instituts nahmen an Ausgrabungen teil.

Semitisches Institut. Die Gründung erfolgte1900 durch August Fischer und Heinrich Zimmern in Verbindung mit der Arabischen Gesellschaft und der Assyrologischen Gesellschaft.

Das Indogermanische Institut wurde nach 1867 durch Georg Curtius gegründet. 1887 entstanden 3 Abteilungen mit gemeinsamer Nutzung von Räumen und Bibliothek durch die Ordinarien Karl Brugmann, August Leskien (Sanskrit) und Ernst Windisch (slawische Philologie).

Germanistisches Institut. Gründung 1873 durch Friedrich Zarncke, ihm folgte 1892 Eduard Siever. Mit dem Eintritt von Albert Köster 1899 erfolgte die Gliederung des Instituts in 2 Abteilungen: deutsche Literatur bis 1500 und deutsche Literatur seit 1500. Das starke Wachstum der Studentenzahlen hattte als Grund den Bedarf für das höhere Lehramt.

Englisches und Romanisches Seminar. Nachdem Richard Paul Wülker 1880 Ordinarius für Anglistik und Adolf Birch-Hirschfeld 1890 Ordinarius für Romanistik geworden waren, wirkten ab 1891 beide gemeinsam im neuphilologischen Seminar. Es war ebenfalls stark besucht. Ab 1898 erfolgte auch der Einsatz von Muttersprachlern als Lehrkräfte.

Das Philosophische Seminar wurde 1873 durch Heinrich Ahrens gegründet und später von Max Heinze übernommen. Das Seminar war offen für Studenten aller Fakultäten mit dem Ziel der Gewöhnung an philosophisches Denken. Es bestand aus 2 Abteilungen. In der ersten erfolgte die Heranführung an philosophische Fragen auf Grundlage der Erklärung alter und neuer philosophischer Schriften, die zweite Abteilung beschäftigte sich mit der Lösung philosophischer Probleme.

Institut für experimentelle Psychologie. Gründung 1875 durch Wilhelm Wundt. Siehe hierzu den Beitrag "Wilhelm Wundt".

1866 wurde durch Hermann Masius, der seit 1862 Ordinarius für Pädagogik war, das Pädagogische Seminar gegründet. Das war notwendig geworden, weil die Durchführung pädagogischer Lehrveranstaltungen von der theologischen Fakultät auf die philosophische Fakultät übergegangen war. In diese Zeit fiel auch die Entscheidung über die Möglichkeit der Immatrikulation von Absolventen der Lehrerbildungsseminare an der Universität. 1894 erfolgte die Teilung in das Philosophisch-Pädagogische Seminar (Johannes Volkelt) und das Praktisch-Pädagogische Seminar (Richard Richter, später Karl Jungmann). Übungen erfolgten in Verbindung mit einem Leipziger Gymnasium.

Das Historische Seminar wurde 1877 durch Carl von Noorden gegründet. 1880 erfolgte die Gliederung in Alte Geschichte (ab 1891 Kurt Wachsmuth, 1905 Ulrich Wilcken), Mittlere Geschichte (1891 Karl Lamprecht, 1895 Gerhard Seeliger) und Neuere Geschichte (1894 Erich Brandenburg). Siehe hierzu den Beitrag "Das Historische Seminar".

Das Institut für Kultur- und Universalgeschichte entstand zunächst ab 1894 als Abteilung des Historischen Instituts unter Karl Lamprecht und wurde 1909 selbständig. Siehe hierzu den Beitrag "Karl Lamprecht und das Institut für Kultur- und Universalgeschichte".

Das Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde mit Rudolf Kötzschke als Direktor ging aus einer Abteilung des Historisch-geographischen Instituts hervor und war ab WS 1906/07 selbständig. Sein Ziel war die Anwendung der Methoden geschichtswissenschaftlicher Untersuchungen auf landschaftlich begrenzte Gebiete.

Das Kunsthistorische Institut wurde 1892 von Hubert Janitschek eröffnet, 1893 folgte August Schmarsow. Das Institut verfügte über umfangreiche Sammlungen von Gemälden, Fotografien und Kunstgegenständen.

Zu den Vereinigten Staatswissenschaftlichen Seminaren gehörten das 1889 gegründete Staatswissenschaftliche Seminar unter Leitung von L. Brentano, später A. v. Miaskowski und seit 1892 das Volkswirtschaftlich-statistische Seminar unter K. Bücher. Lehrinhalt waren Nationalökonomie und Statistik, Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht. Später kamen Finanzwissenschaft (Kameralistik), Buchhaltung, technische Statistik und Versicherungswesen hinzu. Lehrer waren u.a. W. Stieda (zeitweilig), K. V. Fricker, L. Pohle, F. Eulenburg. Die Nationalökonomie war teilweise Nebenfach; auch Studenten der neu gegründeten Handelshochschule nahmen an den Lehrveranstaltungen teil.

Im Sommersemester 1905 wurde das Volkswirtschaftliche Seminar mit Wilhelm Stieda als Direktor gegründet, das großes Interesse fand. Ziele waren das praktische Arbeiten auf dem Gebiet der Fächer der Staatswissenschaften, Abhandlungen zu bestimmten wirtschaftswissenschaftlichen Fragen, Übung in Vortrag und freier Diskussion sowie die Teilnahme an größeren wissenschaftlichen Untersuchungen.

Das Geographische Seminar wurde 1883 gegründet. Ordinarius und Direktor war Ferdinand v. Richthofen. Ihm folgte 1886 Friedrich Ratzel und 1904 Joseph Partsch, Das Seminar verfügte über umfangreiche Sammlungen.

In Verbindung mit der Aufnahme des Landwirtschaftsstudiums in Leipzig im Sommersemester 1869 erfolgte die Gründung des Landwirtschaftlichen Instituts. Direktor war Adolf Blomeyer, ab 1890 Wilhelm Kirchner. 1877 konnte der Neubau des Institutsgebäudes Ecke Stephan-/Brüderstraße bezogen werden; 1903 wurde es durch das Institutsgebäude in der Johannesallee ersetzt. Versuchsfelder befanden sich am Oberholz 5.

Das Veterinärinstitut mit Klinik und Poliklinik war zunächst Teil des Landwirtschaft-lichen Instituts, bis 1878 die neu erbaute Veterinärklinik an der Linnéstraße bezogen werden konnte. Direktor war Anton Zürn, später August Eber.

Stieda nennt noch das im Wintersemester 1905/06 gegründete Collegium musicum 6.


Die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion
Während die Institute der philologischen und philosophisch-historischen Sektion im Wesentlichen in den Gebäuden zwischen Augustusplatz und Universitätsstraße sowie an der Ritterstraße untergebracht waren, mussten für die naturwissenschaftlichen Institute Neubauten errichtet werden. Diese befanden sich auf dem Areal in der östlichen Vorstadt, auf dem auch die Kliniken und Institute der Medizinischen Fakultät errichtet wurden.

Das Mathematische Institut wurde 1880 von Felix Klein gegründet. Ihm folgten als Direktoren Sophus Lie (1896), Friedrich Engel (1898), Otto Hölder (1899) und Karl Rohn (1905). Siehe Beitrag zu "Felix Klein".

Die Universitäts-Sternwarte. Die Vorgeschichte geht auf das Jahr 1794 zurück, als die Sternwarte im Turm der Pleißenburg eröffnet wurde (siehe Beitrag "Die Fakultäten der Universität am Ende des 18. Jahrhunderts"). Die neue Universitätssternwarte wurde 1861 im Johannistal unter dem Direktorat von Karl Bruhns eröffnet. In den folgenden Jahren bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurden bauliche Erweiterungen durchgeführt und neue Ausrüstungen angeschafft. Seit 1881 war der Direktor Heinrich Bruns.

Das Physikalische Institut wurde 1835 als eines der Ersten in Deutschland gegründet. Direktor war Gustav Theodor Fechner, danach Wilhelm Eduard Weber, Wilhelm Gottlieb Hankel, Gustav Heinrich Wiedemann, Otto Heinrich Wiener. Im Wintersemester 1873/74 wurde das neue Institutsgebäude in der Linnéstraße bezogen. Das Institut verfügte über umfangreiche Sammlungen.

1895 wurde das Theoretisch-Physikalische Institut eröffnet. Direktor war Hermann Ebert, ihm folgten Paul Drude, Ludwig Boltzmann, Theodor Des Courdres.

Das Chemische Laboratorium befand sich seit 1868 im neuen Gebäude in der Liebigstraße unter Hermann Kolbe als Ordinarius, danach Johannes Wislicenus und ab 1902 Arthur Hantzsch.

1887 wurde durch Wilhelm Ostwald das Physikalisch-chemische Institut gegründet. Es hatte zwei Abteilungen: die pharmazeutische und die physikalisch-chemische. 1897 wurde ein neues Institutsgebäude in der Linnéstraße bezogen. Die pharmazeutische Abteilung ging an das Laboratorium für angewandte Chemie über. Ab 1906 war Max le Blanc Institutsdirektor. Siehe hierzu Beitrag "Wilhelm Ostwald".

Das Laboratorium für angewandte Chemie wurde 1897 unter Leitung von Ernst Beckmann im Gebäude Brüder-/Ecke Stephanstraße gegründet.

1895 wurde das Paläontologische Institut im Gebäude des früheren Physikalischen und Mineralogischen Instituts eröffnet. Direktor war Hermann Credner.

Die Erdbebenwarte entstand in enger Verbindung mit dem Paläontologischem Institut 1902 in dessen Gebäude in der Talstraße. Siehe hierzu den Beitrag "Erdbebenwarte".

Das Mineralogische Museum und Institut war 1842 unter Carl Friedrich Naumann entstanden. Es erfolgte der Aufbau und die Erweiterung der ursprünglich spärlichen Sammlungen. Nachfolger Naumanns wurde 1870 Ferdinand Zirkel. 1874 konnte das neue Gebäude in der Talstraße zusammen mit dem Physikalischem Institut und der geologischen Landesanstalt bezogen werden.

1868 wurde August Schenk Direktor der Botanischen Institute. 1877 erfolgte die Verlegung des botanischen Gartens und des Instituts in die Linnéstraße. Dort wurden Gewächshäuser, ein Institutsgebäude mit Hörsaal, Labor und Bibliothek errichtet. 1887 wurde Wilhelm Pfeffer Direktor.

Das Zoologische Institut entstand aus der Zusammenlegung verschiedener Sammlungen. 1851 wurde daraus offiziell das Zoologische Museum, dessen Leitung 1868 Rudolf Leuckart übernahm. 1880 konnte der Neubau Brüderstraße/Talstraße bezogen werden. Ab 1898 war der Direktor Carl Chun. Das Institut genoss große internationale Anerkennung als Lehr- und Forschungsstätte.


Die naturwissenschaftlichen Institute der Universität 1909
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Quellen:
Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, Die philologische und die philosophisch-historische Sektion, Leipzig 1909
Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.2; Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, Die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion, Leipzig 1909
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909; S. 125 - 169
Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909
Czok, K,: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917
in Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984; S. 193 - 200, 212 - 219
Geschichte der Pädagogik in Leipzig http://www.uni-leipzig.de/~erzwiss/about/wissenswertes/hist_entw.php
Von 1871 bis heute - Geographie an der Universität Leipzig http://www.uni-leipzig.de/~geograph/institut/institut6.html

Fußnoten
1 Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909, S. 26/27
2 Ebenda, S. 30
3 Vgl. ebenda S. 43. Danach stiegen die Studentenzahlen von 1834/39 bis 1904/09 in der Pharmazie von 5 auf 195, in der Mathematik
   von 6 auf 193, in den Naturwissenschaften einschl. Landwirtschaft von 2 auf 412, in der Philosophie von 15 auf 305, in der Altphilologie
   von 41 auf 403, in der Pädagogik von 4 auf 107, in der Kameralistik von 12 auf 162, in der Ökonomie beginnend ab 1864/69 von 31 auf 181,
   in der Neuphilologie beginnend ab 1884/89 von 96 auf 270.
4 Unter einem Institut wird der Komplex der Arbeitsräume, Sammlungen und der Bibliothek, unter einem Seminar die Gesamtheit der
   wissenschaftlichen Übungen eines Fachgebiets verstanden. Vgl. Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig,
   Philosophische Fakultät, Band 4 Teil I, Leipzig 1909; S. 97
5 Eulenburg rechnet das Landwirtschaftsinstitut zu den naturwissenschaftlichen Instituten. Vgl. Fußnote 3.
6 Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909; S. 135/136



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