Ringvorlesung. Märsche der Moderne

Dirk van Laak (SFB 1199 & Leipzig U)

Dirk van Laak, Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und Projektleiter am SFB 1199 verantwortet im Sommersemester 2021 Ringvorlesung “Märsche der Moderne”.

Es ist eine Binsenweisheit, gerade in Zeiten von Fridays for Future und Pegida: Politik findet nicht nur in den Kabinetten und Parlamenten statt. Menschen bringen sich und ihre Forderungen auf die Straße; sie bewegen sich, um etwas zu bewegen.

Die Ringvorlesung widmet sich Märschen als wichtigem Element politischer Partizipation und Herrschaftsinszenierung in der Massengesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts. Märsche vereinen charakteristische Elemente der Moderne: das Auftreten als Gruppe bzw. Gemeinschaft, das Agieren im Spannungsfeld zwischen Ordnung und Dynamik sowie zwischen lokalem Handlungsraum und nationalen bzw. globalen (Medien-)Öffentlichkeiten. Märsche setzen auf breite aktive Teilnahme und nehmen dadurch fast schon einen plebiszitären Charakter an. Sie können auf die Bestätigung des Status quo zielen oder aber den Wunsch nach Veränderungen öffentlich zum Ausdruck bringen. Märsche stellen insofern ein weithin sichtbares Instrument zur Legitimierung respektive Delegitimierung politischer Herrschaft dar, das der Demonstration von Machtansprüchen oder von (abweichenden) politischen Agenden dienen kann. Insbesondere für politisch unterrepräsentierte Gruppen und soziale Bewegungen können Märsche identitätsstiftend sein und eine Erfahrung kollektiver Handlungsmacht vermitteln.

Das 20. Jahrhundert ist reich an (ikonischen) Märschen: von Frauen- und Arbeitermärschen Anfang des Jahrhunderts über Mussolinis Marsch auf Rom (1923), Gandhis Salzmarsch (1930), Martin Luther Kings Marsch auf Washington (1963), dem Marsch „Für Gleichheit – gegen Rassismus“ in Frankreich (1983), Märschen für und gegen Europa, (Auf-)Märschen und Militärparaden in den sozialistischen Staaten, den Ostermärschen der Friedensbewegung bis hin zu den Slut Walks der Gegenwart. Die Ringvorlesung greift einzelne dieser bekannten, aber auch einige weniger bekannte Beispiele heraus. Die Märsche in ihren spezifischen lokalen, nationalen und transnationalen Dimensionen geben den Blick frei sowohl auf zentrale Konfliktlagen des 20. Jahrhunderts als auch auf sich aktualisierende Formen des Politischen. Dies gilt freilich auch retrospektiv: Nicht wenige Märsche sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen oder wurden in geschichtspolitischer Absicht instrumentalisiert. Die Ringvorlesung lädt zum Vergleich und zur Systematisierung der jeweiligen Märsche und damit den unterschiedlichen historischen Manifestationen eines bis in die Gegenwart aktuellen globalen politischen Phänomens ein.

Die Ringvorlesung findet vom 20. April bis 22. Juni 2021 jeweils dienstags von 17 bis 19 Uhr digital statt und wird über den Youtube-Kanal der Universität Leipzig gestreamt.