Interview Series “Seen Through a Spatial Lens … – Spatializations in Global Times”

Interview mit Dirk van Laak (SFB 1199 & Leipzig U)

Publication Date

April 2018

Type

Media

Blog Author

Prof. Dr. Dirk van Laak

Unsere Interviewserie “Seen Through a Spatial Lens … – Spatializations in Global Times” stellt Gäste des Sonderforschungsbereichs 1199 vor. Die kurzen Interviews geben Einblick in die Forschung unserer Gäste und laden ein, kreativ über Verräumlichungsprozesse zu reflektieren.

Dieses Interview führten wir mit Dirk van Laak, Professor für Deutsche und Europäische Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts an der Universität Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen deutsche, europäische und Globalisierungs-Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Er hat insbesondere zu Kolonialismus und Imperialismus gearbeitet, und umfangreich zur Technik-, Infrastruktur- und Planungsgeschichte, zur Geistes-und Intellektuellengeschichte sowie zur Geschichte des historischen Denkens und der Geschichtsschreibung publiziert. Seit 2017 ist er assoziiertes Mitglied im SFB 1199.

Der Blogbeitrag ist erschienen bei TRAFO Blog.

Interview mit Prof. Dr. Dirk van Laak

In drei Sätzen: wozu forschen Sie und welche Fragestellungen leiten Ihre Forschung?

Dazu fiel mir neulich mal eine passende Formulierung ein: „Historische Prägungen des Alltags der Gegenwart“. Es geht mir also um die Vorgeschichte unserer heutigen Lebenswelt, und das können kürzlich zurückliegende Ereignisse oder viele Jahrhunderte zurückliegende Entwicklungen sein. Inhaltlich bin ich kaum festgelegt – und empfinde das als eine Gnade meines Berufs.

Was motiviert Sie für Ihre Forschung? Welche persönliche Erfahrung bestärkt Sie darin, weiter zu forschen?

Mich motivieren Neugier und das Erstaunen, was dem Menschen alles möglich war und ist. Je mehr man weiß, umso mehr will man wissen. Das ist auch tröstlich für das fortgeschrittene Alter.

Welche zentrale Erkenntnis Ihrer Forschung stößt im nicht-fachlichen Umfeld auf die größte Überraschung? Was könnte dahinter stecken?

Ich hoffe, die Erkenntnis, wie stark wir uns auf scheinbar neutrale und sachliche Organisationen wie die Bürokratie, die Technik oder Infrastrukturen eingelassen haben. Diese unpersönlichen Vorkehrungen haben viele Chancen ermöglicht und Horizonte verbreitert, aber auch soziale Beziehungen gelockert und neue Abhängigkeiten geschaffen. Solche unbeabsichtigten Folgen werden vermutlich noch verstärkt diskutiert werden.

Durch die räumliche Brille geschaut: Welche Verräumlichungsprozesse – verstanden als raumprägende Dimensionen und Ergebnisse menschlichen Handelns – sind in Ihrer Forschung besonders prägnant? Warum?

Mir ist in den letzten Jahren klargeworden, dass es zum einen statisch gedachte (dabei natürlich konstruierte) Räume gibt sowie zum anderen solche, in denen etwas fließt: Energien, Ideen, Menschen oder Dinge. Diese Netze des Verkehrs und der Kommunikation, der Versorgung und Entsorgung sowie deren raumprägende Macht des Anschlusses und der Vernetzung haben mich jetzt mehr als ein Vierteljahrhundert beschäftigt. Denn sie funktionieren meist unterhalb unseres Bewusstseins, sind aber für die Rhythmen unseres Alltags enorm prägend.

Wagen wir einen Blick aus der Zukunft! Welche Verräumlichungsprozesse im beginnenden 21. Jahrhundert waren prägend für die Gesellschaft im Jahr 2050?

Das schrittweise Ersetzen der Aneignung von Raum im (eher reiselustigen) 20. Jahrhundert durch die virtuelle und logistische Aneignung von Dingen, Inhalten und sozialen Beziehungen im (vermutlich eher stationären) 21. Jahrhundert.

Welchen Anteil könnte die Wissenschaft – und ihre Forschung – an dieser Entwicklung gehabt haben und wie wäre das passiert?

Das wird vor allem die Leistung der (bio-)technischen Wissenschaften mit ihrer enormen Dynamik sein. Wir als Historiker können dazu beitragen, diese Prozesse menschlich zu verarbeiten, indem wir dazu beitragen, sie rückblickend zu verstehen. Das ist als gesellschaftliche Aufgabe keine Kleinigkeit.